Verein „Sonnenblicke“ springt ein, wo es Lücken im System gibt

Kulmain
11.03.2022 - 12:40 Uhr
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Ein Sattel für die Reittherapie, Kurse beim Osteopathen, Fahrgeld für die Uniklinik oder Zuschuss für die Parkgebühren: Die Aktion „Sonnenblicke Nordoberpfalz“ unterstützt Familien krebs- und schwerstkranker Kinder auf vielfältige Weise.

Seit acht Jahren hilft die Aktion „Sonnenblicke Nordoberpfalz“ krebs- und schwerstkranken Kindern. Aktuell unterstützt der Verein elf Familien in der Region. Egal ob ein behindertengerechtes Auto, der Umbau eines Bads, ein angepasstes Fahrrad, Parkgebühren an der Uniklinik in Regensburg oder Verbrauchs-Material wie Windeln – die Familien werden finanziell, materiell und auch persönlich unterstützt.

„Wir sind aktiv in der nördlichen Oberpfalz und auch im Fichtelgebirge. Etwa in einem 30 Kilometer Umkreis von Kulmain“, erklärt Vorsitzender Marco Pscherer. „Sonnenblicke“ hat aktuell 65 Mitglieder und noch wesentlich mehr Spender. „Wir unterstützen mit Kleinigkeiten, von passenden Windeln, die die Krankenkasse nicht zahlt, bis hin zu großen Maßnahmen, wie dem Umbau zum behindertengerechten Bad oder einem behindertengerechten Auto“, sagt der Vorsitzende. Es gebe keine feste Regelung, welche Familie jährlich wie viel Geld bekommt.

„Da muss man doch was machen“

„Das ist komplett auf das Kind und deren Bedürfnisse zugeschnitten. Wir notieren uns alle Wünsche und entscheiden dann, was ist akut, wo müssen wir schnell helfen, und was können wir langfristig lösen.“ Ein besonderer Sattel für die Reittherapie, zusätzliche Kurse beim Osteopathen oder Logopäden, Fahrgeld für die Uniklinik oder Zuschuss für die Parkgebühren dort. „Wir haben auch schon ein Kind für eine OP nach Spanien geschickt. Da haben wir den Flug und das Hotel bezahlt“, berichtet der Kulmainer, der seit 2020 Vorsitzender ist. „Kurz gesagt: Wir springen da ein, wo es eine Lücke im System gibt.“

Gegründet wurde der Verein von dem Neusorger Ehepaar Tobias und Claudia Geisler. Auslöser war, dass es das Kind einer befreundeten Familie an Krebs erkrankte. Der Junge musste zehn Wochen in der Uniklinik in Regensburg behandelt werden. Die Parkgebühren dort betrugen 12 Euro am Tag – egal ob Patient oder nicht. Unterstützung von der Krankenkasse gab es nicht. „Der Grundtenor der Vereinsgründer war: Da muss man doch was machen können“, erklärt Pscherer. Gemeinsam mit fünf Mitstreitern riefen die Geislers die Aktion „Sonnenblicke Nordoberpfalz“ ins Leben.

Ziel der Gründung ist bis heute die Unterstützung krebskranker Kinder bis zum 18. Lebensjahr. In den ersten vier Vereinsjahren half der Verein sechs Familien. Doch neue Familien, die der Verein unterstützen konnte, kamen nicht dazu. „Was ja auch erfreulich ist, wenn Kinder gesund sind. Aber derweil häuften sich die Spendengelder auf unserem Konto an“, berichtet Pscherer. Deshalb wurde 2018 das Spektrum um schwerstkranke Kinder erweitert. „Damit ist unser Aktionsradius deutlich größer geworden.“ Die Kinder, die der Verein unterstützt, haben verschiedenste schwere Krankheiten, wie etwa Gendefekte.

Neuer Vorstand seit zwei Jahren

Marco Pscherer kam 2016 zu “Sonnenblicke“. Wie bei den Vereinsgründern gab ein Krankheitsfall im Freundeskreis den Ausschlag, dass der Familienvater zweier Söhne im Verein mitarbeiten wollte. Der Inhaber eines Motorgeräte-Fachgeschäfts engagierte sich vor der Selbstständigkeit 15 Jahre lang bei der Bergwacht. Mit der Firmengründung musste der 39-Jährige das Ehrenamt zurückfahren. „Aber ich wollte mich in jedem Fall irgendwie weiter sozial engagieren“, sagt Pscherer. Die Ziele und die Philosophie des Vereins passten zu seinen Vorstellungen. „In der nördlichen Oberpfalz geht es uns gut. Wir sind eine Wohlstands-Gesellschaft. Da kann es doch nicht sein, dass jemand durchs Raster fällt“, erklärt er seine Beweggründe.

Vor zwei Jahren wurde dann ein komplett neuer Vorstand bei „Sonnenblicke“ gewählt, auch weil sich die Gründer aus dem Verein zurückgezogen hatten. Pscherer wurde Vorsitzender. Das neue Team habe man ganz strategisch aufgestellt, erklärt er. Der 39-Jährige hat die Rolle des Netzwerkers inne, kennt von seiner Zeit bei der Bergwacht viele Ansprechpartner. Seine Stellvertreterin Anja Clement ist Rechtsanwältin und kümmert sich etwa um Anträge bei Krankenkassen oder Behörden. Daniela Pscherer ist beruflich Bilanzbuchhalterin und agiert im Vorstand als Kassiererin. „Wir haben auch Erzieher im Beirat dabei, aber auch Lkw-Fahrer“, sagt der Vorsitzende über das vielfältige ehrenamtliche Engagement bei "Sonnenblicke".

Ganze Familie im Blick

Im Laufe der Jahre baute der Verein ein großes Netzwerk auf. „Wir kennen viele Ärzte und Psychologen, die unsere Arbeit unterstützen. Wenn wir da anrufen, bekommen die Eltern schneller mal einen Termin“, schildert Pscherer. In diesem Jahr möchte der Verein noch eine Kooperation mit „Filumi“, einem osteopathischen Kinderzentrum in Bad Alexandersbad anstrengen. „Die Einrichtung spiegelt stark unseren Grundgedanken wider“, erklärt Pscherer. Jede Familie soll einmal im Jahr vier Tage in das Zentrum dürfen.

Denn "Sonnenblicke" ist es wichtig, die ganze Familie im Blick zu haben. „Wir legen sehr großen Wert darauf, auch Familienzeit zu schenken“, betont Pscherer. Zu Weihnachten und den Geburtstagen der Kinder schenkt der Verein ein Geschenk, von dem die ganze Familie etwas hat. „Wir schicken die ganze Familie dann etwa in den Freizeitpark.“ Und bald vielleicht auch zu „Filumi“. Dort kümmern sich Ärzte, Psychologen, Ernährungsberater und Physiotherapeuten nicht nur um das Kind, sondern um die ganze Familie. Meistens bekommt der Verein Tipps, welche Familien Unterstützung benötigen könnten. „Im seltensten Fall kommen die Betroffenen auf uns zu.“ Heuer möchte „Sonnenblicke“ fünf Familien ansprechen, den Verein vorstellen und die Familie kennenlernen.

Einschränkung durch Corona

"Sonnenblicke" verteilt nicht nur Spenden, sondern fungiert auch als Ansprechpartner. „Manchmal höre ich am Telefon auch nur zwei Stunden zu“, sagt Pscherer, der auch Kriseninterventions-Berater ist. Etwa wenn die Familie schlechte Nachrichten erhalten hat. Viele Fragen können die Vorstandsmitglieder aber nicht beantworten. Dafür seien sich die Familien kranker Kinder oft gegenseitig eine Hilfe.

Eigentlich ist für den Austausch auch das Sommerfest und die Weihnachtsfeier gedacht, doch die mussten in den vergangenen beiden Jahren coronabedingt ausfallen. Ebenso wie der alljährliche Besuch des Vereins bei der Familie, erzählt Pscherer von den Einschränkungen. Doch trotz der Pandemie konnten die Spendengelder bisher jedes Jahr übertroffen werden.

Der gemeinnützige Verein, der in Neusorg gegründet wurde und nun in Kulmain ansässig ist, lebt zu 100 Prozent von Spendengeldern. „Wir versuchen, unsere Verwaltungskosten auf ein Minimum zu beschränken und decken diese Aufwendungen meistens durch Spenden aus der Vorstandschaft ab“, sagt Pscherer. Somit könne „Sonnenblicke“ gewährleisten, dass 99,9 Prozent der eingegangenen Spendengelder bei den Kindern und deren Familien ankommen. Der Vorsitzende betont, dass die Spenden ausschließlich für das Kind sind.

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Frankenreuth bei Kulmain10.03.2021
Kulmain04.06.2021
Hintergrund:

Der Verein "Sonnenblicke Nordoberpfalz"

  • 2014: Gründung des Vereins "Sonnenblicke Nordoberpfalz" zur Unterstützung krebskranker Kinder und deren Familien
  • Seit 2018: Zusätzlich Unterstützung von schwerstkranken Kindern und deren Familien
  • 2020: Neuer Vorstand, damit auch Wechsel des Vereinssitzes nach Kulmain
  • Aktuell: Aktion „Sonnenblicke“ unterstützt im Umkreis von etwa 30 Kilometern von Kulmain elf Familien von Pressath bis Kirchenlamitz.
  • Hilfen in materieller, finanzieller und personeller Form
  • Mitglieder: 65 Mitglieder und noch viel mehr Spender
 
 

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