Im abgelegenen Tierheim des Tierschutzvereins Stadt und Landkreis Schwandorf e.V. übernehmen zunächst die Hunde die Begrüßung: Allen voran Amy. Lautes Gebell, abgewechselt von interessiertem Beschnuppern. Erst danach eilt der 27-jährige Veli zur Begrüßung. Dem Kölner, der erst vor Kurzem nach Schwandorf gezogen ist, sieht man seine Warmherzigkeit im Umgang mit den Hunden direkt an. Hündin Amy, die die Begrüßung übernommen hat, gehört zum festen Tierheim-Rudel: Das besteht – neben den Hunden der acht Mitarbeiter – aus vier tierischen Bewohnern, die sich auf dem ganzen Gelände frei bewegen dürfen. Diese vier werden vermutlich ihr restliches Leben im Heim verbringen.
Die Tiere werden entweder von der Polizei, vom Veterinäramt oder von Privatpersonen im Heim abgegeben. Gründe dafür gibt es viele: Katzen, die von ihren kranken oder verstorbenen Besitzern nicht mehr versorgt werden können. Hunde aus Haushalten, die sich nicht gut um sie gekümmert haben, überfordert waren oder sich die Tierarztkosten nicht mehr leisten konnten. Ausgesetzte Hasen, die in der freien Natur unterversorgt gefunden wurden. Tiere, deren Besitzer Allergien entwickelt haben. Ein großes Problem sind vor allem Hunde, die unbedacht aufgenommen wurden. So benötigen einige Hunde mehr Auslauf als andere oder haben besondere Charaktere, auf die die Besitzer eingehen müssen. Auch Züchter, die kranke Tiere in Massen günstig an uninformierte Käufer vermitteln, belasten Veli: „Das sind keine Züchter mehr, sondern Händler. Die Muttertiere werden dabei als Zuchtmaschinen benutzt und die Welpen vor dem Verkauf fitgespritzt.“
Direkt nach der Ankunft der Tiere kommen sie in eine Quarantäne. Dort werden sie einige Zeit gesondert von den anderen Bewohnern untergebracht. Es erfolgt eine tierärztliche Untersuchung, bei der das Geschlecht bestimmt wird und Verletzungen versorgt werden. Wenn das Tier gechippt ist, wird dieser Chip abgelesen und alle nötigen Infos protokolliert. Andernfalls wird nachträglich gechippt, entwurmt und geimpft. Wenn die Untersuchungen und die Quarantäne überstanden sind, kommen die Tiere zu den anderen Bewohnern – in die Hundezimmer, Katzenzimmer oder in das Kleintier-Haus. Anschließend dürfen sie sich einleben und gegenseitig beschnuppern. Die Katzen und Hasen sind jeweils mit Gleichgesinnten in einem Zimmer oder Kleintier-Käfig untergebracht. Die Hunde in Einzelzimmern dürfen täglich zusammen in den Auslauf oder auf einen gemeinsamen Spaziergang. „Wir lassen auch die Hunde lieber zusammen allein, als allein allein“, sagt Veli und lacht. Manche Hunde fühlen sich direkt angekommen, andere ziehen sich in ihrer Trauer zurück. „Wir unterstützen sie bei dem, was sie gerade brauchen. Für gewöhnlich leben sich hier aber alle Tiere schnell ein.“
Der tierische Tagesablauf
Nach der turbulenten Begrüßung geht es in eines der Katzenzimmer voll Spielzeug, Decken und Rückzugsmöglichkeiten. Auch ein Außenbereich ist für die Katzen frei zugänglich. Im Zimmer von Harlekin, Charlie und Mia herrscht fast zen-artige Ruhe, bis … „Hatschi“. Die zutrauliche Mia hat Katzenschnupfen. Sie war zu lange draußen ohne ärztliche Versorgung, bevor sie ins Tierheim kam. Und wieder „Hatschi“ … „Der Katzenschnupfen ist chronisch, eine Vermittlung wird dadurch schwierig“, erklärt Veli.
Dennoch hält das Mia nicht davon ab, sich ihre Streicheleinheiten abzuholen. Harlekin und Charlie sind beide ohne menschlichen Kontakt aufgewachsen die Zimmer und Käfige gereinigt werden können, werden alle Hunde, Katzen und Kleintiere rausgeholt. Manche müssen je nach Behandlungsplan zum Physiotherapeuten. Mit verhaltensauffälligen Hunden arbeiten die Tierpfleger an ihren Problematiken, um sie bestens für eine neue Pflegestelle vorzubereiten. Dabei gibt es durchgehend ein Ziel für alle Pfleger: Den Tieren soll es rundum gut geht.
Der junge, aufgeschlossene Labrador, der von seinem Vorbesitzer aus Spanien mitgebracht wurde, hat am rechten Vorderbein Arthrose. Durch seine kostenintensive Erkrankung und seine wilde, unerzogene Art werde er es ebenso bei einer Vermittlung schwer haben, erklärt Veli. Weiter geht es im Außenbereich: Hier befinden sich die zwinger-artigen Hundezimmer, in denen die Tiere die meiste Zeit untergebracht sind. Sie sind mit Vorhängen ausgestattet, damit die einzelnen Tiere hin und wieder zur Ruhe kommen können. Der zunächst zurückhaltende Joshi befindet sich in einem dieser Hundezimmer. Der zwischen drei und vier Jahre alte Havaneser-Mix kam in einem verwahrlosten Zustand ins Tierheim und erholt sich gerade noch von seinen Strapazen. Für eine Weile darf er sich frei im großen Innenhof bewegen. Zusammen mit zwei Hunden, die gerade auf Urlaubspflege im Tierheim sind, wird auf der weitläufigen Fläche getobt.
Auf der Suche nach einem neuen Familienmitglied im Tierheim wird zunächst eine Beratung durchgeführt: Welcher Hund passt in den Alltag und die Umstände der Interessenten? Soll es ein ruhiger Familienhund sein oder kann es ein Aktiver sein, der erfahrene Besitzer und Erziehung braucht? Kann eine Freigänger-Katze vermittelt werden oder ist eine Wohnungs-Katze geeigneter? Etwa wenn die Interessenten an einer vielbefahrenen Straße wohnen. „Die Besucher können nicht einfach durch das Heim gehen und sagen ,Den Hund hätte ich gerne´. Wir schauen uns genau an, ob Tier, Mensch und Wohnraum zusammenpassen.“ Hier gibt es im Zuge der Vorkontrolle viele Punkte zu klären, die die Tierpfleger auch bei den Interessenten daheim begutachten. „Die neuen Besitzer sollten uns schon mindestens drei mal besuchen, um die Hunde kennenzulernen. Auch damit wir sehen, dass tatsächlich Interesse besteht“, erklärt Veli. Mehrmaliges Gassigehen und ein Probewohnen der Hunde in ihrem neuen Zuhause werden zudem organisiert. „Bei bereits vorhandenen Hunden der Interessenten führen wir die beiden hier bei uns zusammen und stehen mit Rat zur Seite.“ Bei Angsthunden kann der ganze Vermittlungsprozess etwas länger andauern, „aber wir wollen ja, dass das neue Zuhause was fürs Leben ist. Bei netten Familienhunden geht es meist natürlich schneller“, gibt der Tierpfleger einen Einblick.
Wenn es von allen Seiten passt, kann eine Übergabe arrangiert werden. Hier fällt eine sogenannte Schutzgebühr an. „Wir können uns dadurch nicht finanzieren, aber es ist nötig, um einen Teil der Kosten zu tragen. Und wir versichern uns damit, dass die Interessenten sich das Tier auch wirklich leisten können und wollen. Spätere Tierarztkosten und Futter müssen sie dann ja auch tragen können“, erzählt der Tierpfleger. Die Schutzgebühr liegt für Hunde bei 400 Euro. Für kastrierte Katzen bei 180 Euro und unkastrierte bei 100 Euro.
Nach der Vermittlung reißt der Kontakt zwischen Tierheim und neuer Pflegefamilie nicht ab: „Wenn das erste Bild aus dem neuen Zuhause kommt, weiß ich, ich kann das Tier erst mal loslassen“, sagt Veli und lacht. Darüber hinaus können sich die Familien immerzu mit Fragen an das Tierheim wenden. Ebenso besuchen die Tierpfleger die Tiere in ihrem neuen Zuhause und kontrollieren, wie sie sich eingelebt haben. Es kann zudem vorkommen, dass es – selbst nach einiger Zeit – doch nicht passt. „Dann nehmen wir das Tier wieder zurück“, erklärt Veli. So dürften die Tiere auf keinen Fall an Dritte weitervermittelt werden.
Leid und Glück so nah zusammen
Weiter geht´s zu den Hunde-Ausläufen: Hier wartet Lucky auf die Besucher. Der große, etwa zweijährige Schäferhund ist bei einer Familie mit Kleinkind aufgewachsen und hat nur wenig Erziehung genossen. Dadurch ist er aufbrausend und laut. Lucky wartet bereits seit einem Jahr auf eine neue Pflegestelle und ist somit einer der ältesten Mitbewohner. Das Tierheim sucht hier ausdrücklich nach einem kinderlosen Haushalt, in dem er weiter erzogen werden kann und genügend Auslauf bekommt. Durch seine ungestüme Art ist der Schäferhund kein guter Umgang für kleine Kinder und könnte sogar eine Gefahr darstellen.
Angekommen am Hunde-Quarantäne-Zimmer meldet sich lautstark eine Hündin mit ihren vier Welpen, die erst vor Kurzem ins Tierheim gebracht wurden. Die zutraulichen Welpen des Hütehund-Mixes wurden im Oktober 2022 geboren und warten auf ein neues Zuhause. Auf dem Weg zurück rennt Knut in die Arme des Tierpflegers. Der ruhige achtjährige Pudel kam zusammen mit seiner Begleiterin Ömchen in sehr verwahrlostem Zustand im Tierheim an. Erst vor wenigen Stunden ist Ömchen verstorben. „Knut war sein Leben lang mit der sehr alten und ebenso unterversorgten Hündin zusammen und trauert nun um sie. Vielleicht war sie sogar seine Mutter – da schenken wir ihm nochmal extra Aufmerksamkeit und Liebe“, erklärt Veli.
„Das ist das Traurigste hier im Tierheim: Dass man immer sehen muss, wie sehr die Tiere Jahre lang in ihrem alten Zuhause gelitten haben und wie die Menschen mit ihnen umgegangen sind“, erzählt der 27-Jährige. „Dabei erwarten die Menschen mittlerweile zu viel von ihren Tieren – Partnerersatz, Kinderersatz, … und dazu gehen sie mit ihnen noch nicht mal in die Hundeschule.“ Gleichzeitig erzählt Veli, dass er sich jeden Tag auf die individuelle Zeit mit den Hunden freut. „Hier sind alle meine, unsere Tiere. Sie werden von uns wie ein eigenes Tier geliebt.“ Aber natürlich sollen sie weitervermittelt werden. Vor allem bei stark ängstlichen Hunden ist eine Vermittlung etwas Schönes. „Ich begleite die Hunde bei der finalen Übergabe dann immer mit zum Auto, verabschiede mich und warte auf das erste Bild aus dem neuen Zuhause
Die Abgabe im Tierheim gering halten
Vorbei am Igel-Bereich, der saisonal einen Wohnraum für Igel in Not bietet und am großen Auslauf für die zwei Ziegen, die das Tierheim ihr Zuhause nennen dürfen, geht es zum Kleintier-Haus. Hier leben momentan einige Hasen und warten auf neue Pflegefamilien. Interessenten, die ein Haustier suchen, sollten sich am besten vorab vom Tierschutzverein beraten lassen. Die erfahrenen Berater wissen, welches Tier in das jeweilige Leben passt und auf welche Punkte geachtet werden muss, um eine baldige Abgabe im Tierheim zu vermeiden. So spricht sich der Tierpfleger beispielsweise auch für einen Hundeführerschein aus und die einhergehende Prüfung aller zukünftigen Hundebesitzer. Die Kontrolle von Händlern und Züchtern sollte seiner Meinung nach erhöht werden, damit weniger kranke Tiere verkauft werden. Zudem sollte niemand ein Tier blind im Internet kaufen und unüberlegt ein neues Familienmitglied nach Hause holen.
„Es kommt auch mal vor, dass Tiere fälschlicherweise zu uns gebracht werden, die eigentlich ein Zuhause haben. Die Besitzer sollten ihre Tiere daher immer chippen lassen und bei Tasso e.V. registrieren. Wir können bei uns dann den Chip auslesen und wiederum das Tier auf Tasso melden. So finden Tier und Besitzer dann letztendlich wieder zusammen.“
Unterstützung des Tierheims
Möglichkeiten, das Tierheim zu unterstützen, gibt es viele: Neben Geldspenden für Personal-, Betriebs- oder Tierheimkosten sind Sachspenden wie Futter- oder Arbeitsmittel willkommen. Im Tierheim kann aber ebenso ehrenamtlich geholfen werden. „Wenn sich jemand meldet, der helfen möchte, dann gucken wir, welche Fähigkeiten er mitbringt und was zu tun ist. Das kann auch mal Zimmerreinigen oder Rasenmähen sein“, erklärt Veli. „Man kann aber auch mit den Hunden Gassi gehen oder zum Katzenstreicheln kommen.“ Interessenten sollten hierzu Vereinsmitglied sein, den Jahresbeitrag zahlen und mit den Tierpflegern einen Termin vereinbaren. „Für Tiere, die womöglich nicht mehr vermittelt werden, sind Patenschaften toll“, betont der Pfleger. Als Pate kann ein bestimmtes Tier dauerhaft finanziell unterstützt werden. „Vor allem bei unserem Arthrose-Patienten Matteo oder Mia mit ihrem Katzenschnupfen wäre es toll, wenn wir hier jemanden finden.“
Zum Abschluss betont Veli ganz klar, dass es sie hier um ein Tierheim handelt: „Die Tiere müssen nicht vermittelt oder gar gerettet werden. Sie wurden schon gerettet. Hier soll es den Tieren einfach mal gut gehen. Alles, was nach dem Heim kommt, soll nur noch besser werden.“ Auch der 13-jährige Hunde-Opa Hasso verabschiedet sich mit einer langen Streicheleinheit und seiner verschmusten Art und verdeutlicht, dass er sich im Heim pudelwohl fühlt.
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