Ob Weihnachtsbackzutaten, Lippenstift, Hundeleckerli und Flohbekämpfungsmittel, Raumdesinfektion, Brotaufstriche, Dekomaterial, Gummibärchenersatz, Schleimlöser, Gewürze, Zahnöl, Rachenspray oder Sitzbäder: Vieles davon lässt sich mit Material vor unserer Haustür selbst zubereiten. Man hat schon Spaß beim Zusammentragen der Ingredienzen. Und das fast das ganze Jahr hindurch.
Jennifer Nelhiebel musste zum Beispiel im Rahmen ihrer Prüfung zur zertifizierten Kräuterpädagogin einen ganzen Präsentationstisch vorstellen zum Thema „Kräuter unterstützen vier Pfoten“. Pfotensalbe, Flohmittel und vieles andere mehr lässt sich ohne Fressnapf und Co. herstellen.
Schon beim Betreten ihres Hauses wird man von einem angenehmen Duft willkommen geheißen. Die Eigenkomposition der Blüten ihres Räucherstöwchens (Beifuß, Wacholdernadeln, Salbei, Rosenblütenblätter) in ihrem Wohnzimmer verbreitet ein angenehmes Bouquet. Sämtliche Bestandteile gesammelt rund um Weißenberg, dem Wohnsitz der 38-jährigen gelernten Gerontopsychiatrischen Fachkraft und ihrer Familie. Vieles davon zieht sie sich selbst im Garten.
Vorsicht bei Asthmatikern
Überhaupt ist Wacholder vielseitig einsetzbar. Leider eher im südlichen Landkreis anzutreffen und ein Hinweis darauf, dass vor 200 bis 300 Jahren intensive Weidewirtschaft mit Schafen und Ziegen betrieben wurde. Offensichtlich auch in Weißenberg. „Der Nadelduft desinfiziert gleichzeitig den Raum,“ erklärt die zweifache Mutter. Genauso wie Fichtenharz, das leicht zu gewinnen ist. Man sollte aber wirklich nur die abperlenden, überschüssigen Tropfen ernten, denn der Baum nimmt das Harz zum Verschließen einer Wunde. Vorsicht walten lassen sollten höchstens Asthmatiker, die allergisch auf bestimmte Duftstoffe reagieren könnten.
Jahreszeitenaktuell lassen sich auch eingelegte „bayerische Oliven“ mit Schlehen zustande bringen als Alternative zu den südländischen. Man braucht nur 1 Kilogramm Schlehen, 4 Zweige Thymian, 4 Lorbeerblätter, 1 Teelöffel Nelken, 1 Liter Wasser und 250 Gramm Salz. Wobei man auch noch Nelkenersatz aus der heimischen Nelkenwurz herstellen kann. Dafür sollte man aber den Herbst abwarten. Bei alledem ist ein Dörrautomat oft hilfreich. Es tut aber auch der Backofen. Damit die Feuchtigkeit gut entweichen kann, sollte man einen Kochlöffel in die Tür klemmen.
Führungen mit Nelhiebel
Wer noch übrige Quitten hat, für den hat Nelhiebel folgende Rezeptur parat. „Pro Kilo entflaumte und geschälte Quitten ein Pfund Zucker. Dazu einige Lavendelblüten. In ausreichend Wasser kochen und in Twist-off Gläsern verschließen.“ Quitten sind fast vollständig verwendbar. Die Schalen kann man immer noch für ein Körperöl in der Körperpflege verwenden und die Kerne in Wasser legen und aufkochen. Der Schleim, der sich absondert, ist gut gegen Halsweh und Reizhusten. Dabei sollte man die Weckzeit beachten. Was in dieser Jahreszeit auch noch auffindbar ist, Frost braucht und sich in der Küche gut verwenden lässt, ist die inzwischen fast ausgestorbene Mispel. Im Volksmund auch Asperl, Hundsärsche oder Steinapfel genannt. Früher war sie in jedem Klostergarten heimisch, nachdem die Römer sie nach Germanien gebracht hatten. Im Laufe der Jahrhunderte setzte sie sich durch, so dass sie sich in fast jeder Hecke fand. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verschwand dieses Obstgehölz leider mehr und mehr aus unseren Gärten. „Neben den üblichen Verfahren wie Marmelade machen, Entsaften oder ähnlichem lässt sich wunderbar Gummibärchenersatz daraus gewinnen. Dazu püriert man das Obst und streicht es auf eine Antihaftfolie. Ab in den Dörrautomaten oder Backofen. Bei 50 Grad mehrere Stunden dörren lassen,“ schildert Nelhiebel diesen noch wenig verbreiteten Verarbeitungsprozess der Fruchtledergewinnung, der auch in die Weihnachtsbäckerei einfließen kann und mit dem man auch als Geschenk überraschen wird. Zumal sich nahezu jede Frucht dafür eignet und man mit Gewürzen und Zutaten den Geschmack variieren kann. Gute Beschreibungen hierzu finden sich auch auf Internetseiten wie perfektegesundheit.de oder smarticular.net – oder bei einer Führung mit einer zertifizierten Kräuterpädagogin.
Wer beim Plätzchenbacken etwas Abwechslung in das übliche Prozedere bringen möchte, der sollte seine Vanillekipferl nicht nur in Vanillinzucker wenden sondern eine Halb- und Halbmischung aus Vanillezucker und in der elektrischen Kaffeemühle pulverisierten Fichtennadeln versuchen. Natürlich von Fichten, die nicht pestizidbelastet sind. Als außergewöhnlicher Dip mit leichter Bitternote zu Käse bietet sich ein Ebereschenchutney an. Denn auch diese Vitaminbomben, die lange als ungenießbar verrufen waren, findet man immer noch zahlreich im Freien. Ebereschen müssen aber gekocht werden. Roh können sie Magen-Darmprobleme verursachen. Statt eines Verdauungsschnapses oder Espressos kann man das üppige Festmahl mit Löwenzahnwurzelkaffee abrunden. Ernten, gründlich reinigen, dörren, mahlen und fertig ist diese verdauungsfördernde Kaffeevariante.
„Bei alledem sollte man natürlich darauf achten, dass man der Natur nicht mehr entnimmt als was der Eigenbedarf braucht, respektvoll und pfleglich mit Bäumen und Sträuchern umgeht,“ bittet die Naturliebhaberin, die mit ihrem Mann Jonas, von Beruf Ranger, voll auf der gleichen Welle liegt. „Denn auch die Vogelwelt braucht die Beeren als Nahrung in der kalten Jahreszeit. Eigenverantwortliches Handeln ist unerlässlich, wenn es darum geht, was man zu sich nimmt. Genauso wie das exakte Bestimmen der jeweiligen Pflanze.“ Oder sich eben Hilfe von außen holen, wenn Jennifer im Frühjahr wieder geführte Wanderungen anbietet.
Rezept für einen Waldpunsch
- 1 Liter Rotwein (mit oder ohne Alkohol)
- 0,5 Liter Apfelsaft und 0,5 Liter Holundersaft
- 2 Scheiben einer Bioorange
- 2 Esslöffel Honig
- 1 Stange Zimt
- 2 - 3 Ästchen Fichtennadeln (pestizidfrei)
- 1 - 2 Nelken (alternativ 1 - 2 Wurzeln der Nelkenwurz)
- 1 Sternanis
- Bis auf den Honig, alles zusammen aufkochen
- Sobald es kocht vom Herd nehmen und noch weitere 15 Minuten durchziehen lassen,
Honig in den noch warmen Punsch einrühren und genießen.
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