Hinter dem mutmaßlichen Täter sitzen zwei Frauen. Ehefrau und Tochter des Getöteten, die man dorthin platziert hat, weil Corona es momentan nicht anders zulässt. Sie können dem mutmaßlichen Mörder ihres Ehemanns und Vaters nicht ins Gesicht schauen.
Aber sie wollen hören, warum der 41-Jährige aus dem Kreis Amberg-Sulzbach sterben musste. Was sich abspielte, haben sie und das Amberger Schwurgericht bisher nur aus der Anklageschrift von Oberstaatsanwalt Jürgen Konrad vernommen.
Der Beschuldigte, 44 Jahre alt und vor seiner Verhaftung in der Nähe von Amberg wohnhaft, lässt sich jeden Satz in die ihm geläufige russische Sprache übersetzen. Was er dabei zum Verhandlungsauftakt vernommen hat, belastet ihn schwer. Er soll einen Berufskollegen, den er lange kannte, mit Messerstichen umgebracht und danach unter einem Laubhaufen verscharrt haben. Auch der Getötete war Russlandübersiedler.
Zwist im Führerhaus
Welche Umstände führten zu der Bluttat? Wenn der 44-Jährige weiter schweigt, wird man wohl nie genau erfahren, weshalb sich die beiden Männer am 23. Oktober 2019 gegen 22 Uhr auf dem Parkplatz einer Spedition in Burglengenfeld (Kreis Schwandorf) trafen. Beide kamen mit ihren Sattelzügen und saßen am Steuer von Fahrzeugen, mit denen sie oftmals Zement auf einem der Spedition nahen Werk holten und ihre Fracht dann zu einer oberpfälzischen Firma brachten. Von daher also sicher kein Zufall, dass dieses Areal ausgewählt wurde. In der Anklageschrift steht, dass die beiden Lkw-Fahrer im Führerhaus des 44-Jährigen saßen, als der Zwist begann. Dabei kam es zu ersten Stichen auf das Opfer. Der Mann trug Verletzungen im Kopf- und Halsbereich davon, die scharfe Klinge des relativ kleinen Messers traf ihn auch an Armen und Händen.
Was geschah danach? Der 41-Jährige wollte flüchten. Er stieg aus der Fahrerkabine, kam nur ein paar Meter weit und brach zusammen. Nach der Spurenlage folgte ihm der mutmaßliche Täter und setzte zu weiteren Stichen in den Halsbereich des vollkommen wehrlosen Opfers an. Oberstaatsanwalt Konrad: "Es kam zu massivem Blutverlust nach außen, wodurch der Geschädigte schnell handlungsunfähig wurde. Er starb binnen weniger Minuten."
Der von den Behörden als heimtückischer Mord zur Verdeckung einer Straftat eingestufte Vorgang war damit nicht abgeschlossen. Der Täter soll sein Opfer anschließend knapp 20 Meter weit über den asphaltierten Hof der Spedition zu einer dort befindlichen Grüngutannahmestelle geschleift haben. In einem aus Laub- und Gartenabfällen bestehenden Haufen verscharrte er dem Ermittlungsergebnis zufolge seinen Berufskollegen, bedeckte den Körper mit Blättern und fuhr mit seinem Sattelzug davon.
Die anschließende Tour war genau 1780 Meter lang. Sie führte zur Burglengenfelder Stadtumgehung und endete damit, dass der Lkw vom Asphalt geriet und umkippte. Als Einsatzkräfte kamen, mussten sie den Fahrer bergen. Er kam ins Krankenhaus und hatte 2,52 Promille Alkohol. Dieses Testergebnis wird im Prozess noch eine wesentliche Rolle spielen. "Zur Tatzeit hochgerechnet waren es 3,10 Promille", haben Fachleute ausgerechnet.
Aufmerksamer Firmeninhaber
Zunächst standen der Unfall und das Verbrechen nicht im Zusammenhang. Der Lkw lag schon acht Stunden an der Böschung, als auf dem Speditionsgelände eine Merkwürdigkeit registriert wurde. "Bei uns stehen eigentlich regelmäßig nachts Schwerlastfahrzeuge am Parkplatz", sagte der Firmeninhaber als Zeuge. Doch seltsam: Da war der Sattelzug von einem Unternehmen, dessen Fahrer dort nie eine Übernachtungsrast einlegten. Das Fahrzeug stand offen, nicht weit davon entfernt befand sich eine Blutlache. Auch Schleifspuren waren erkennbar. Sie führten zu einem Laubhaufen und zu der darunter vergrabenen Leiche. Nur blauer Jeansstoff deutete zunächst darauf hin, dass da etwas lag.
Am ersten Prozesstag hat das Schwurgericht unter Vorsitz von Roswitha Stöber eine Reihe von Zeugen vernommen. Fast ausnahmslos Polizeibeamte, die mit der umfangreichen Spurensicherung beauftragt waren. Sie schilderten ihre Ermittlungsergebnisse anhand von nahezu 100 Lichtbildern. Mehrere der Aufnahmen zeigten das Tatmesser. An ihm wurden offenbar DNA-Spuren des Angeklagten entdeckt. Deutlich wurde allerdings bei den Befragungen: Augenzeugen gibt es nicht. Wohl aber soll ein Videofilm vorhanden sein, den eine auf dem Speditionsgelände installierte Kamera machte.
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