Zum breiten Aufgabengebiet der Ranger im Naturpark gehören auch Kontrolle und Überwachung von Pflanzen, die nicht heimischen Ursprungs sind. Ein Beispiel dafür ist die Vielblättrige Lupine, die sich stark ausbreitet. Im Gespräch mit Oberpfalz-Medien verwiesen die Ranger Jonas Ständer und Marie Wittmann kürzlich auf Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt, die mit sogenannten Neophyten verbunden seien. Darauf hat nun Naturpark-Vorsitzender Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg reagiert.
"Wir leben in einer Demokratie, da gehören kontroverse Debatten dazu, jeder kann seine Meinung sagen", meint der Baron, der auch Mitglied in den Naturschutzbeiräten des Landratsamtes Tirschenreuth, der Regierung der Oberpfalz und des Bayerischen Umweltministeriums ist, zur Diskussion um sogenannte Neophyten (Pflanzen) und Neozoen (Tiere), also nicht einheimische Arten. Was er aber anprangere, sei die derzeitige Vorgehensweise zur Bekämpfung bestimmter eingewanderter Arten. Naturschützer und -liebhaber fordert er deshalb zum Umdenken auf.
Ablenkung von Hauptproblemen
"Die Neuankömmlinge, wie die Neophyten und Neozoen auch genannt werden, zu den alleinigen Sündenböcken zu stempeln, ist falsch und lenkt von den Hauptproblemen ab - nämlich Überdüngung der Böden und Rückgang der Artenvielfalt", so Gemmingen-Hornberg. "Gerade in Zeiten des Klimawandels brauchen wir widerstandsfähige Arten, die unsere Natur bereichern können und gegebenenfalls Ausfälle ersetzen."
Die pauschale Ablehnung von Neophyten bezeichnet der Baron im Gespräch mit Oberpfalz-Medien als eine "veraltete Sichtweise, die bei vielen Naturinteressierten noch vorkommt". Während sich Gartenbesitzer und Hobbygärtner in ihren privaten Anlagen über die Zucht exotischer Pflanzen freuten, fielen die Reaktionen auf Veränderungen in der freien Natur häufig völlig anders aus. "Hier stören plötzlich fremde Pflanzen, egal ob sie bewusst eingeführt oder zufällig per Schiff oder im Lkw mit Handelsgütern eingeschleppt wurden", so Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg. "Das Normale in der Natur sind Dynamik, die ständige Veränderung, die Vergänglichkeit und Unvorhersehbarkeit." Es sei naiv zu glauben, die Natur würde sich zu einem - womöglich sogar von Menschen definierten - Optimum hin entwickeln, in diesem Optimum verharren und man müsste diesen Zustand, nur weil er momentan gefällig sei, unbedingt vor Eingriffen schützen und bewahren.
"Dauerhafte Stabilität und Berechenbarkeit sind keine Eigenschaften der Natur. Seit vielen Jahrhunderten wird unsere Erde von Menschen massiv beeinflusst, und die Globalisierung beschleunigt diesen Prozess", gibt Gemmingen-Hornberg zu bedenken. "Daran könnten wir uns eigentlich langsam gewöhnen und wir müssen darüber auch nicht verzweifeln. Das ist ohnehin nicht mehr rückgängig zu machen, also sind wir gut beraten, uns mit dieser Situation in Gelassenheit zu arrangieren."
Einzige Nahrungsquelle
Seit langem beobachte Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg eine "gewisse Ideologie im Naturschutz", wie er wörtlich betont. "Das Heimische ist angeblich immer gut und das Fremdländische ist meistens schlecht. Das ist doch albern und im wahrsten Sinne unnatürlich!" Der Baron verweist darauf, dass der Umgang und die Behandlung von Neubürgern in der Gesellschaft oft auch von Angst und Besorgtheit geprägt seien. "Dabei sind manche Pflanzen womöglich gar nicht so bedrohlich, wie sie oft dargestellt werden, sondern nützlich", erklärt der Baron und nennt das Indische Springkraut, dessen Blüten im Spätsommer Bienen, Hummeln und anderen Insekten oft als einzige Nahrungsquelle dienten.
"Unsere Vorfahren haben ja absichtlich Pflanzen, Tiere und Saatgut aus Amerika und Asien eingeführt. Sie fanden ihr Vorgehen ganz normal, aber heute verbreitet sich jedoch die Denkweise, man müsse fremde Arten fürchten und verachten", so Gemmingen-Hornberg. Schmunzelnd fährt er fort: "Wenn man so konsequent sein will, dass etwa Lupinen, Heracleum und Indisches Springkraut bekämpft werden müssen, dürfte man in Europa auch keine Kartoffeln, keine Tomaten, keinen Mais und keinen Weizen ernten."
Douglasie aus Nordamerika
Der Naturpark-Vorsitzende gibt zu bedenken, dass die Baumart Douglasie in Zeiten des Klimawandels den deutschen Wald retten soll, doch sie komme aus Nordamerika. "Diese Inkonsequenz allein macht die Sache schon ziemlich unglaubwürdig." Gemmingen-Hornberg betont, dass die Natur sehr robust, sehr erfinderisch und sehr anpassungsfähig sei und mit neuen Arten gut umgehen könne. "Wir können der Natur viel mehr zutrauen. Es mag zu Pannen und Rückschlägen kommen, aber am Ende gewinnt die Natur - wenn wir sie nicht vorher vergiften." Mehr Fachwissen, mehr Toleranz und viel mehr Geduld seien jetzt wichtig, so Gemmingen-Hornberg. Erfreulich sei, dass es mittlerweile auch zahlreiche Naturfreunde gebe, welche die Ankunft von Neophyten entspannt verfolgten.
Nicht zuletzt erinnert der Baron daran, dass sich viele Neophyten, die in der Region Fuß fassen konnten, als völlig unproblematisch erwiesen hätten. "Von den vielen eingewanderten Arten sind nur ganz wenige wirklich ein Problem für unsere Umwelt." Man solle darauf vertrauen, dass die Natur die Natur nicht schädige, sondern nur verändere. "Der einzige echte Schädling sind wir mit unseren Eingriffen."
"Wenn man so konsequent sein will, dass etwa Lupinen, Heracleum und Indisches Springkraut bekämpft werden müssen, dürfte man in Europa auch keine Kartoffeln, keine Tomaten, keinen Mais und keinen Weizen ernten."
Kommentare
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.