Kabarett in der Krise: Nabburger Schmidt-Haus besinnt sich auf neue Unterhaltungsformen

Nabburg
27.02.2023 - 09:42 Uhr
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Das Kabarett mit seinem vorwiegend älteren Publikum tut sich schwer nach Corona. Nach einem "Neu-Stotter-Start" im Nabburger Schmidt-Haus stellt sich für Reinhard Westiner, die Frage, wie es weitergehen soll.

Das Schmidt-Haus in Nabburg gilt seit mehr als 20 Jahren als "sichere Adresse für jene, die Musik und Kabarett jenseits vom Mainstream schätzen". Mit dieser Einschätzung dürfte das Forum Nabburg auch jetzt noch richtig liegen. Der 1978 gegründete Verein kümmert sich darum, dass Leben in das historische Gebäude kommt, dessen Name an den früheren Bewohner, den Künstler Karl Schmidt-Wolfratshausen erinnert. Seit fast drei Jahren kämpft das Schmidt-Haus aber jetzt mit den Folgen der Corona-Pandemie.

"Da hat sich jetzt wahnsinnig viel geändert", sagt Reinhard Westiner, der von Anfang an Manager der Kulturbühne war, einfach weil er sich das als Hobby auserkoren hat. Vor einem Jahr, als die Beschränkungen wegen der Infektionsgefahr gelockert wurden, wollte er neu durchstarten. Jetzt hält er eine Statistik über die Besucherzahlen in der Hand, die ihm zu denken gibt. Schon dem ersten "Versuchsballon" ging die Luft aus: Kabarettist HG: Butzko musste wegen einer Corona-Erkrankung absagen, als er dann auftrat, kamen nur etwas über 40 Zuhörer. Der Termin mit Sigi Zimmerschied musste zweimal verschoben werden. Die spannenden Einblicke ins Kabarett im Dritten Reich mit "Heil!Kräuter" fanden nur zwei Interessenten, der Termin musste abgesagt werden. "Der Weiherer spielte draußen, das ging. Und die Old Folks, die kennt man", zählt Westiner auf.

"Nach den Erfahrungen mit dem Neu-Stotter-Start 2022 versuchen wir es dieses Jahr mal anders", kündigt Westiner nun dem bewährten Publikum im Newsletter an und verspricht weniger "großes Theater", also weniger Kabarettveranstaltungen und Gastspiele. "Wir beschränken uns in diesem Jahr auf Künstler, die bei den Besuchern des Schmidt-Hauses einen Namen haben und hoffen auf entsprechende Resonanz", so das neue Konzept. "Leiden müssen darunter der Hoffnungsvolle Nachwuchs und Vertreter nicht so mainstreamgetreuer Gattungen", bedauert Westiner. "Das sei schade, aber ein Gastspiel müsse eben für alle Beteiligten Sinn machen.

Offen für neue Wege

Dabei gehöre Kleinkunst ganz sicher auf eine kleine Bühne, bedauert Westiner und hat als "Nostalgiker" doch seine Zweifel, ob die bisherige Praxis noch zeitgemäß ist. Schließlich traf es unlängst sogar die Münchener Lach- und Schießgesellschaft: Die renommierte Traditionsbühne ist insolvent. "Vielleicht sind wir einfach aus der Zeit gefallen", spekuliert der 72-Jährige, der es erschütternd findet, wie flüchtig das Angebot über die Kanäle im Internet wahrgenommen wird. Auf der Suche nach einem neuen Publikum hat er sich zurückbesonnen auf die Anfänge - ohne "Hammer-Gagen".

Um die Lücke zu füllen, soll es künftig mehr Eigenproduktionen geben. "Wohnzimmerkonzerte" zum Beispiel. Das Wohnzimmer ist in diesem Fall der Gastraum des Café Karl, in dem dann Bands aus der Region antreten können.

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Nabburg17.02.2022

Treffpunkt für Schelme

Außerdem soll sich eine spezielle "Schmidt'sche Form" etablieren, der "Schelmen-Salon". Vorbild ist dabei der literarische Salon, ein zumeist privater Treffpunkt, bei dem früher fleißig debattiert wurde. Beim angestrebten Modell soll es "schelmisch, schalkhaft, spitzbübisch, humoristisch, beschwingt und lustig zugehen, die Themen sind noch offen. Eines ist kürzlich bereits abgehakt worden: das richtige Altern. Westiner hat schon ein paar Sachen angedacht, von Autobahn über Karl Valentin bis zu KI (Künstliche Intelligenz), "nicht zu tiefsinnig, eher eine Gaudi, zweimal im Monat".

Weiteres Standbein ist die Büchermatinee. Bei "Herr Karl liest" handelt es sich um eine Art "Frühschoppen" am Sonntagvormittag, "nur gibt es halt keine Weißwürste", erklärt Westiner. Und dann ist da noch das Kino. "Wir wollen hier als Ehrenamtliche aber nicht den gewerblichen Kinos Konkurrenz machen", schränkt Gerald Igl ein, die Vorführungen betreut.. "Wir suchen deshalb Filme aus, die nicht so alltäglich sind und auch nicht das aktuellste Spektrum abdecken." Statt des alten 35-Millimeter-Projektors aus den Anfängen der Kulturbühne kommt allerdings schlicht eine DVD zum Einsatz. Weil dabei für Filmrechte und Gema Gebühren anfallen, bleibt abzuwarten, ob sich das rentiert.

"Man muss das gelassen sehen, einfach ausprobieren was geht", sind sich Igl und Westiner einig über eine Szene, die sich verändert hat. Immerhin steht mit dem "Forum" ein ganzer Verein hinter dem Schmidt-Haus. Aktuell gibt es knapp 120 Mitglieder. Das macht sich auch in gastronomischen Teil bemerkbar. Zwar wurden inzwischen die Öffnungstage auf Mittwoch, Donnerstag und Sonntag reduziert. Aber wenn sich kein Personal für den Service findet, gibt es im Hintergrund noch engagierte Ehrenamtliche, die hier mit Kuchen und Kellnern einspringen können.

Hintergrund:

Schmidt-Haus: Bühne, Buchclub, Kino und Café

  • Bühne: nächstes Gastspiel in der Rubrik Kabarett im Gewölbe/Innenhof von "Blözinger" am 22. April um 20 Uhr; Wohnzimmerkonzert (Café Karl) mit Paul & Harry (Country-Musik) Samstag, 15. April.
  • Büchermatinee: "Herr Karl liest", Vorstellung von Lieblingswerken am 19. März, 10 bis 12 Uhr, bei Croissant, Cappuccino und Prosecco
  • Kino: monatlich jeweils an einem Dienstag um 19.30 Uhr (7. März "Kundschafter des Friedens", 4. April "Die göttliche Ordnung", 9. Mai "Die Mondverschwörung".
  • Café Karl:Mittwoch und Donnerstag von 19 bis 23 Uhr, Sonntag 14 bis 18 Uhr, "Schelmen-Salon" je nach "Material"
 
 

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