Tafeln im Landkreis Schwandorf stoßen bei Lebensmittel-Nachschub an Grenzen

Nabburg
22.04.2022 - 16:58 Uhr
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Beim Salat genügt Zeichensprache, bei Knödelteig wird es schwieriger mit der Verständigung. Die Tafeln in Nabburg, Oberviechtach und Schwandorf spüren den Zustrom an Geflüchteten aus der Ukraine. Noch reicht das Angebot.

Schon eine halbe Stunde vor Öffnung der Lebensmittel-Ausgabe in der Nabburger Bahnhofstraße stehen die ersten Kunden vor der Tür. Schnell wird klar, dass es Neulinge sind, also Personen, die noch nicht bei der Tafel registriert und damit berechtigt sind, für zwei oder drei Euro einen "Großeinkauf" zu tätigen. Alina Kbiltsetskhlashvili ist zur Stelle. Die 28-Jährige ist vor sieben Jahren geflüchtet und hilft ehrenamtlich als Dolmetscherin für die Landsleute aus der Ukraine aus. "Ich mache hauptsächlich die Aufklärung" erzählt sie. Obst und Gemüse einzukaufen, das sei kein Problem. Bei Fertiggerichten hingegen sind Infos gefragt: "Knödelteig kennt man in der Ukraine nicht, Kartoffeln natürlich schon."

In den Nabburger Verkaufsräumen tragen Helfer mit orangefarbenen Schürzen noch schnell ein paar Kisten herein. Ein Zettel am Eingang regelt genau, wann welche Kunden-Gruppe an der Reihe ist, damit der Andrang nicht zu groß wird. Etwa 200 Menschen sollen allein hier mit Lebensmitteln satt werden, die als Spenden eingegangen sind, meist weil ihr Haltbarkeitsdatum sich dem Ende nähert.

"Vor dem Ukraine-Krieg waren es ungefähr 170, jetzt sind etwa 30 Geflüchtete dazu gekommen", berichtet der Vorsitzende der Nabburger Tafel, Albert Bruckner. "Wir sind zur Zeit noch in der günstigen Lage, dass wir alle Leute versorgen können", sagt er mit Blick auf Großstädte wie Nürnberg, die wegen knapper Ware längst Alarm geschlagen haben.

"Es reicht noch, ist aber weniger geworden", lautet die Bilanz des Oberviechtacher Tafel-Vorsitzenden Friedrich Keller, der nicht nach Personen, sondern nach Bedarfsgemeinschaften kalkuliert: 40 solcher Bedarfsgemeinschaften, meist sind es Familien, schlagen dort wöchentlich auf, mit dem Krieg in der Ukraine sind zehn dazugekommen. "Und es werden jede Woche mehr", sagt Keller. Am ehesten fehlen Grundnahrungsmittel: Mehl, Zucker, Öl, Nudeln. "Die waren schon immer ziemlich knapp, weil diese Waren nicht so schnell verfallen", räumt er ein. Jetzt steigt die Zahl der Abnehmer. Gleichzeitig fällt nach Einschätzung von Keller nicht mehr so viel Überschuss aus dem Lebensmittel-Handel an. "Kann sein, dass bei den Supermärkten inzwischen besser gewirtschaftet wird", so sein Eindruck.

Schlechter scheint die Lage bei der Schwandorfer Tafel unter der Trägerschaft von Caritas, BRK und AWO. "Wir starten gerade jetzt einen Spendenaufruf", berichtet Caritas-Geschäftsführer Wolfgang Reiner, "im Städtedreieck sind Grundnahrungsmittel schon extrem knapp". Selbst manche Geschäfte, also die potenziellen Spender, hätten inzwischen Probleme, ihre Regale zu füllen, hat er festgestellt. "Wir laufen auf eine Grenze zu", prophezeit er angesichts der Tatsache, dass noch mehr Geflüchtete zu erwarten sind. "Wir können nicht mehr ausgeben als da ist", verweist Reiner auf den Grundsatz der Tafel und fügt hinzu: "Wir müssen das gemeinsam schultern."

Zukauf als Option

Manchmal haben die Tafeln auch noch andere Quellen. "Neulich ist eine Frau vorbei gekommen und hat uns Lebensmittel im Wert von 200 Euro gebracht", erzählt Bruckner, "und dann hat sie noch einen 50-Euro-Schein dazu gelegt". Über die Aktion Sternstunden ist beim Verein eine Spende von 2000 Euro eingegangen, davon kann die Tafel jetzt knappe Güter wie Windeln oder Babynahrung besorgen. Alles, was nicht an eine Haltbarkeit gebunden ist.

Dass es mit dem Nachschub klappt, führt der Nabburger Vorsitzende der Tafel vor allem auf die örtliche Nähe zu den Spendern in der Lebensmittelbranche zurück. "Eigentlich machen da alle Geschäfte im Umkreis mit", hat er festgestellt. Falls beispielsweise Engpässe bei der Milch drohen, könne man ja auch ein wenig steuernd eingreifen.

Insgesamt kann die Tafel in Nabburg als jüngste Einrichtung dieser Art auf 55 engagierte Helfer bauen, die bei der Lebensmittel-Verteilung mit anpacken. Doch der Verein mit seinen aktuell etwa 90 Mitgliedern braucht auch Geld, allein schon um die Miete zu bestreiten. "Die großen Firmen in Nabburg haben uns da schon sehr geholfen", meint Bruckner mit Blick auf die symbolischen Schecks in den Fenstern der Ausgabestelle, die das belegen. Auch das Fahrzeug zum Transport der Lebensmittel will finanziert sein. "Das hat uns anfangs schon etwas Angst gemacht", bekennt Bruckner.

Schon bald könnten auch mehr Senioren unter den Kunden sein, kalkuliert man in Nabburg angesichts der steigenden Lebensmittelpreise. Noch machen die Personen ohne Migrationshintergrund lediglich etwa ein Fünftel aus. "Seit der Krise sind es immer mehr geworden", erzählt ein 56-Jähriger, der am Eingang die Gruppen koordiniert.

Scham und Dankbarkeit

Es sind die Neuen aus der Ukraine, bei denen die Dankbarkeit am meisten zu spüren ist. Haben die Menschen Angst davor, hungern zu müssen? Die Dolmetscherin für Ukrainisch schüttelt den Kopf. Das nicht, aber selbstverständlich finden die Geflüchteten aus dem Osten das Angebot nicht. Da ist zum Beispiel jene Dame, der solche fast geschenkte Ware auch ein wenig peinlich ist. "Ich schäme mich wegen der vielen Taschen", hat sie den Helfern anvertraut.

Hintergrund:

Drei Vereine und fünf Adressen für überschüssige Ware

  • Tafel Nabburg: Verein seit 2021, Bahnhofstraße 16, Ausgabe Donnerstag von 10 bis 12 Uhr, Verein mit aktuell 90 Mitgliedern, versorgt etwa 200 Personen
  • Tafel Oberviechtach: Verein seit 2011 mit Ausgabe in Oberviechtach (Nabburger Str. 11; Donnerstag 10 bis 12 Uhr)und Neunburg (Hauptstraße 43; Freitag 10 bis 12 Uhr), 160 Mitglieder, versorgt rund 160 Bedarfsgemeinschaften
  • Tafel Schwandorf: Träger AWO, BRK und Caritas; Ausgabe Schwandorf (Spitalstraße 2 und 4; Dienstag und Freitag 13 bis 16 Uhr) und Städtedreieck (Maxhütte; Ockerstraße 4; Mittwoch 13 bis 16 Uhr) versorgt etwa 1100 Personen
 
 

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