Frist für Hecken-Radikalschnitt läuft ab: Kein Frevel, sondern mehr Vielfalt

Niedermurach
09.06.2023 - 09:06 Uhr
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Gras und Getreide wachsen – aber auch die Hecken am Ackerrand. Mit der Motorsäge darf der Landwirt hier erst ab Oktober ran. Wer bis Ende Juni einen Antrag (Kulap 2023 bis 2027) stellt, bekommt für den bodennahen Rückschnitt sogar Geld.

Auch wenn die mehrere Meter hohe Hecke am Wiesenrand im Frühjahr wunderschön geblüht hat, spätestens im Herbst ist die Vergreisung und Verkahlung wieder zu sehen. Der Besitzer kann zwar vom 1. Oktober bis 28. Februar Pflegemaßnahmen vornehmen und kräftig ausschneiden, doch erst ein kompletter Rückschnitt, also eine Verjüngung („auf Stock setzen“) bringt der Natur nachhaltige Vorteile, und die Hecke erfüllt wieder ihren Zweck. „Manche Leute verstehen das nicht und man kriegt schon mal eine Anzeige bei der Unteren Naturschutzbehörde“, stellt Martin Prey junior im Gespräch mit Oberpfalz-Medien fest.

Der Niedermuracher Landwirt will sich davor schützen und bespricht sich vor Maßnahmenbeginn mit Christian Weiß, Geschäftsführer vom Maschinenring Schwandorf. Dieser übernimmt als zertifizierter Konzept-Ersteller auch die Abstimmung mit der Naturschutzbehörde samt Antragstellung für das Kulap 2023 bis 2027. Das Bayerische Kulturlandschaftsprogramm fördert seit einigen Jahren die Erneuerung von Hecken und Feldgehölzen und läuft ab heuer unter der Bezeichnung I 80 (bisher B 49). Der Vorteil für den Landwirt: Er bekommt Geld für seine Arbeit und hat weniger Ärger.

Antragsfrist Ende Juni

Doch auch wenn Prey erst ab Oktober mit der Motorsäge ran darf, die Zeit drängt: Antragsfrist für das Kulap-Programm ist Ende Juni. Wichtig dabei ist es, die Pflegebedürftigkeit zu prüfen und die Pflegegrundsätze zu beachten. Neu ist, dass ab heuer nur noch die Abschnitte fixiert werden: Der Besitzer kann selber festlegen, welchen Teil der Hecke er wann pflegt. Auf dem Tisch in der Wohnküche liegt ein Luftbild mit den Flurnummern. Wenn die Hecke vermessen und die Arten der Bäume und Sträucher aufgenommen sind, werden 15 bis 20 Meter lange Abschnitte eingeteilt. Diese können dann nacheinander, auf mehrere Jahre verteilt, "auf Stock gesetzt" werden. Im Frühjahr treiben die fast bodennah zurückgenommenen Heckensträucher dann wieder neu aus, verstrauchen und werden von unten her dicht. Einzelne Bäume werden ganz rausgenommen.

"Wir versuchen, eine Stufigkeit reinzubringen", sagt Christian Weiß. Er hat Forstwirtschaft studiert und kennt sich aus. "Im Laufe der Jahre ergeben sich lichte und dichte Abschnitte. Die Hecke kann so möglichst vielen Tieren und Pflanzen einen Lebensraum bieten. Das ist viel mehr an Biodiversität." Und Martin Prey ergänzt: "Vom Gelände her sind Feldraine wichtig." Also im Hinblick auf die Erosion und die zerstörende Wirkung von Wasser und Wind.

Laut Flyer der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) trägt die Erneuerung von bestehenden Hecken und Feldgehölzen sowohl zur Erhaltung und Entwicklung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes, als auch zur dauerhaften Sicherung der biologischen Vielfalt (Biodiversität) bei. Gleichzeitig leisten sie einen Beitrag zur dauerhaften Erhaltung der Vielfalt, Eigenheit und Schönheit, sowie des Erholungswertes der Kulturlandschaft.

Hecken entstehen auf unterschiedlichste Art und Weise. Größere Steine stören bei der Bewirtschaftung; sie werden aufgelesen und am Ackerrand abgelegt. Hier wachsen mit der Zeit Gehölze durch. Hecken etablieren sich auf Standorten, die für eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung zu steil, zu flachgründig, zu trocken oder zu nass sind. Oft werden sie aber auch bewusst gepflanzt, um Grundstücke abzugrenzen, Baumaßnahmen auszugleichen oder agrarökologische Funktionen (Schutz vor Bodenerosion) zu erfüllen.

Motivation für Landwirte

Martin Prey und Christian Weiß schließen den Ordner mit dem Erneuerungskonzept und machen sich in die Niedermuracher Flur auf. Auf der abschüssigen Wiese am Dorfrand teilen die beiden Männer die noch blühende Dornenhecke mit dem Maßband in Abschnitte ein, markiert mit roten Pflöcken. In der Maschinenring-Geschäftsstelle in Schwandorf wird Weiß das Konzept anhand der Striche im Luftbild aufbereiten und den Antrag ans Amt weiterleiten. Das bayerische Heckenpflege-Programm gibt es seit acht Jahren. "Anfangs war es ein Hype, jetzt hat es sich auf drei bis zehn Betriebe pro Jahr und Landkreis eingependelt", stellt der zertifizierte Konzeptersteller fest. In dieser Funktion ist er seit 2022 auch im Landkreis Cham der Ansprechpartner.

Nach den Pflegearbeiten im Winterhalbjahr kann der Junglandwirt dann einen Antrag auf Auszahlung stellen. 3,80 Euro pro Quadratmeter gibt es ab heuer, vorher waren es 2,70 Euro. "Es ist eine Motivation für den Landwirt, dass seine Arbeit bezahlt ist", stellt Christian Weiß fest. Größtenteils handle es sich um dornige Schlehenhecken, die maschinell zurückgeschnitten werden müssen. "Das Geld ist nicht die Intension, sondern die Absicherung der Maßnahme", sagt Martin Prey.

Damit die Bevölkerung über die Notwendigkeit einer fachgerechten Pflege informiert ist, gibt es bei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) wetterbeständige Schilder zum Aufstellen in der Flur zu erwerben. Darauf wird in Text und Bild auf die unterschiedlichen Vegetationsperioden der Lebensräume Hecke und Feldgehölze eingegangen und Maßnahmen erläutert.

Hintergrund:

Rechtlicher Schutzstatus von Hecken

  • Hecken und Feldgehölze sind nach Artikel 16 Bayerisches Naturschutzgesetz in Verbindung mit Paragraf 39 Bundesnaturschutzgesetz als Landschaftsbestandteil geschützt und dürfen nicht erheblich beeinträchtigt werden
  • Es ist verboten, in der freien Natur Hecken, lebende Zäune, Feldgehölze oder -Gebüsche zu roden, abzuschneiden, zu fällen oder auf sonstige Weise erheblich zu beeinträchtigen
  • Auskünfte erteilen die jeweils für den betroffenen Landkreis zuständigen Unteren Naturschutzbehörden.
 
 

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