Verwahrloste Haustiere füllen Schwandorfer Tierheim

Schwandorf
05.09.2021 - 10:52 Uhr
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Eine Wohnung voller Kot, zu viele Tiere auf wenigen Quadratmetern, jede Menge Ungeziefer: Immer wieder müssen Behörden eingreifen, wenn sich Tierhalter übernehmen. Das Schwandorfer Tierheim ist voll, dafür gibt es aber noch mehr Gründe.

Mischlingshund Buddy geht es wieder besser. Er wurde mit einer schweren Verletzung am Bein aufgefunden. Tierpflegerin Marija Äcker hofft, dass sich in seinem Fall doch noch ein Besitzer meldet.

Erst der Haustier-Boom in der Corona-Pandemie, dann die große Urlaubswelle. Viele Tierheime, die sich während der Ausgangsbeschränkungen geleert haben, sind wieder voll. Das Schwandorfer Tierheim ist zwar vor massiven Auswirkungen dieses bundesweiten Trends verschont geblieben. Doch auch dort spielen die Urlaubszeit und wiedergewonnene Freiheiten eine Rolle, wenn es um die Belegung geht. Für eine volle Auslastung haben in den vergangenen Wochen aber auch mehrere "Zwangsentnahmen" gesorgt. Das sind die Fälle, wo das Veterinäramt einschreitet, weil die Tierhaltung so nicht weitergehen kann.

Ein Polizeibericht über verwahrloste Tiere in einer Schwandorfer Wohnung hatte im August für enormes Medieninteresse gesorgt. Die Vorsitzende des Schwandorfer Tierschutzvereins, Gabriele Hahn, ist erstaunt über diesen "Medienrummel", denn selten ist so etwas nicht. "Allein in den vergangenen vier Wochen hatten wir hier im Landkreis fünf Zwangsentnahmen", berichtet sie. "Gerade jetzt warten wir auf fünf Wellensittiche aus schlechter Haltung." Wenn Haustiere auf diese Weise ins Tierheim verfrachtet werden, so ist das oft ihre letzte Rettung: Viele sind unterernährt, krank oder von Ungeziefer befallen. "und wir können sie nicht einmal an andere Familien vermitteln, weil die rechtlichen Verhältnisse ungeklärt sind", gibt Hahn zu bedenken.

Auch während des Lockdowns war der Schwandorfer Tierschutzverein als Träger des Tierheims vorsichtig mit der Vermittlung von Hunden, Katzen und Kleintieren. "Wir schauen uns die Leute genau an, fragen nach, wie die Situation in einem Jahr sein wird und ob der Opa notfalls auch als Betreuer einspringen kann", beschreibt sie vorbeugende Maßnahmen bei der Vermittlung, die sich nun ausgezahlt haben: "Die Rückgabe-Welle hat vielleicht deshalb bei uns nicht so katastrophal eingeschlagen." Ganz verschont bleibt man aber nicht von dem Phänomen, das den Begriff "Corona-Hund" prägte: ein Alibi-Haustier, das in der Pandemie das Verlassen der Wohnung zum Gassigehen auch nach 22 Uhr ermöglicht hat. Viele hatten sich in der ereignisarmen Zeit ein Tier von einem Züchter geholt.

Es sind aber vor allem die "Tier-Messies", die nun für ein volles Tierheim in Schwandorf sorgen. Leute, die sich bei der Haltung schlicht übernommen haben. "Sieben Hunde auf einen Schlag, 16 Katzen aus einem einzigen Haushalt, da ist man ruckzuck voll" sagt Hahn. "Das sind Tiere, denen es richtig dreckig geht. Dafür sind wir da, und das Veterinäramt greift da auch durch", lobt die Tierschützerin die Behörde. Insgesamt rund 150 Tiere bevölkern derzeit das Schwandorfer Heim, darunter etwa 80 Katzen, 20 Hunde, Kleintiere wie Kaninchen oder Meerschweinchen, Wasserschildkröten, Zebrafinken eine Ziege und ein Schaf.

Hype um Pflegeplätze

Auch die Urlaubszeit machte sich bemerkbar. "Ende Juli hatten wir einen enormen Hype wegen der Pflegeplätze, da hätten wird gleich 100 Tiere auf einmal unterbringen sollen, dabei waren wir von Stammkunden schon ausgebucht", so die Erfahrung in Schwandorf, wo man auch von völlig ausgebuchten Tierpensionen weiß.

Für Fundtiere wie Buddy ist ohnehin das Heim die erste Adresse. Der Mischlingshund wurde verletzt aus Klardorf gebracht. "Er hatte eine wirklich üble Wunde am Bein", berichtet Hahn, die nun darauf hofft, dass sich der Besitzer meldet. Denn auch wenn viele Tier gechipt sind, heißt das nicht automatisch, dass ein Findling wieder zurück zu Herrchen oder Frauchen kommt. So ein kleiner Mikrochip kann narkosefrei unter die Haut von "Waldi" oder "Minka" implantiert werden, aber ein Wiedersehen ist nur garantiert, wenn die Vierbeiner auch auf einer Plattform registriert sind. "Viele Tierhalter wissen das offensichtlich nicht", bedauert die Tierheim-Chefin. Nur so könne man in vielen Fällen Gewissheit über das Schicksal eines liebgewordenen Begleiters erhalten – und ihn vielleicht noch beerdigen.

Erziehung als Prozess

Ob ausgesetzt oder abgeliefert: Allergien. Scheidung, Umzug oder gar ein Biss sind Gründe, warum es zu einer Trennung von Haustieren kommt. Dies zu vermeiden, beginnt für Gabriele Hahn schon bei der Anschaffung des Tiers. "Ein Herdenschutzhund ist eben kein Familienhund, der braucht Arbeit", nennt sie ein Beispiel. "Die Hundeschule hilft ja nichts", hat sie nur allzu oft zu hören bekommen, wenn es mal nicht klappt mit dem tierischen Neuzugang. "Aber der Hund kommt doch von dort nicht gut erzogen mit einem Schulranzen zurück", macht sie klar und verweist auf konsequente Erziehungsarbeit. Gerade wer auf Welpen setzt, habe da viel vor sich. Besser als "Liebe auf den ersten Blick" findet die Fachfrau deshalb einen Kennenlern-Prozess. Teenager können da testen, ob sie auch bei Regen und Schnee noch heiß aufs Gassigehen mit einem Vierbeiner sind. "Die Chemie muss stimmen", so ihr Fazit, "und oft wird es dann gerade nicht der Hund, der ursprünglich anvisiert wurde."

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Amberg06.05.2021
Noch sind diese vier Kätzchen im Schwandorfer Tierheim in Quarantäne. Viele ihrer Artgenossen werden als "Zwangsentnahme" eingeliefert, wenn die Besitzer teils krankhaft Tiere horten.
Hintergrund:

Mit dem Haustier in Harmonie

  • Auswahl: Tierschützerin Gabriele Hahn rät: über Rasse und Vorgeschichte informieren, nur bei anständigen Züchtern kaufen, bei Welpen besonders vorsichtig sein
  • Ausgangslage: Familiensituation analysieren, Vertretung bei Betreuung und zukünftige Umstände einkalkulieren
  • Identifizierung: Profis empfehlen: Hunde oder Katzen nicht nur chippen lassen, sondern auch registrieren
  • Tierhortung: (animal hoarding) krankhaftes Sammeln und Halten von Tieren; Mindestanforderungen an Nahrung, Hygiene oder tierärztlicher Versorgung werden oft vernachlässigt, Betroffene (Tier-Messies) sind nicht in der Lage, sich angemessen zu kümmern.
  • Kontakt: Tierheim Schwandorf, Am Sollring 11; Telefon 09431 61606; Besuche derzeit nur mit Termin möglich

"Allein in den vergangenen vier Wochen hatten wir hier im Landkreis fünf Zwangsentnahmen."

Gabriele Hahn, Vorsitzende des Tierschutzvereins

Gabriele Hahn, Vorsitzende des Tierschutzvereins

 
 

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