Vegetarierin gewinnt Spanferkel beim Preisschafkopf: Tierischer Trostpreis sorgt für Streit

Stein bei Plößberg
03.02.2023 - 14:06 Uhr
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Hätte sie doch einen Geldpreis gewonnen. Oder die Palette Holzpellets. Aber ausgerechnet ein Spanferkel? Damit hat Vegetarierin Vanessa Vogel ein großes Problem. Dabei schien eine Lösung in greifbarer Nähe.

Es ist eine kuriose Geschichte, die schon ein paar Wochen her ist. Ausgerechnet eine Vegetarierin gewinnt beim Schafkopfen ein Spanferkel. Sie will dem Schwein das Leben schenken, doch aus dem eingefädelten Platz im Gnadenhof wird nichts: Sowohl der Gastwirt, der das Tier gestiftet hat, als auch der liefernde Landwirt machen einen Rückzieher. Über die Entwicklung gibt es heftiges Kopfschütteln – auf beiden Seiten.

Begonnen hat alles mit einem Preisschafkopf, ausgerichtet vom Skiclub Stein in einem Wirtshaus in Windischeschenbach. „Es war mein zweites Schafkopfturnier“, berichtet Vanessa Vogel. Die 31-Jährige aus Neustadt/WN, die das Kartenspiel von Arbeitskollegen gelernt hat, war eine von über 130 Teilnehmern. Doch ausgerechnet sie gewinnt den Sonderpreis für den vorletzten Platz: ein Spanferkel. Die Frau war geschockt: „Das hat man mir, glaube ich, auch angesehen“, erzählt sie von ihrer Reaktion am Abend des Turniers: „Das arme Tier.“

Suche nach Gnadenhof

Zuhause ist sie Veganerin, unterwegs isst sie vegetarisch. „Ich wollte nicht, dass das Schwein stirbt“, schildert Vogel ihre Bemühungen, die am nächsten Tag Fahrt aufnahmen. Ein Anruf beim Wirt, der auch Metzger ist: Sie wolle das Schwein lebend, suche einen Platz für das Tier. „Ich habe den ganzen Samstag telefoniert.“ Selbst bei Gut Aiderbichl habe sie es probiert. Als sich schließlich der Erdlingshof bereit erklärt habe, das Ferkel aufzunehmen, sei das „wie ein Sechser im Lotto“ gewesen. Der Gnadenhof im Landkreis Regen hätte den Transport übernommen, auch die Ab- und Anmeldung. Die Benzinkosten und einen Teil der Lebenshaltungskosten für das Schwein durch eine Patenschaft hätte sie bezahlt, versichert die Tierfreundin.

Nach eigenen Angaben hat sie mehrfach sowohl mit dem Metzger als auch mit dem Schweinezüchter aus dem Landkreis Tirschenreuth telefoniert. „Ich hatte ja schon die Betriebsnummer des Bauern.“ Doch als der Tag der Abholung ausgemacht gewesen sei, hätten die Spanferkel-Lieferanten einen Rückzieher gemacht. „Das war ihnen plötzlich zu heikel“, schildert sie ihren Eindruck. Der Landwirt habe das Tier nicht an einen Gnadenhof abgeben wollen, sondern nur an einen Mastbetrieb oder Metzger.

„Rettet die Welt nicht“

Mit Oberpfalz-Medien über den Sachverhalt reden wollen weder der Bauer noch der Wirt. Aber einer spricht Klartext: Der Vorsitzende des Skiclubs Stein. „Ein Spanferkel zu gewinnen, ist beim Schafkopf in der Oberpfalz eine ganz normale Sache“, betont Gerhard Bauer. „Es ist aber nie die Rede von einem lebenden Schwein. Dieses wird bei uns immer gegrillt an den Gewinner ausgeliefert.“

Bauer nimmt den Stifter des Preises ausdrücklich in Schutz, der der Gewinnerin sogar mit einem Warengutschein oder Bargeld entgegengekommen wäre. Wenn jemand kein Fleisch essen wolle, könne er das tun: „Ich selbst habe tatsächlich auch Phasen, in denen ich mich vegetarisch ernähre.“ Aber die Entwicklung mit dem Trostpreis empfindet er als verrückt. „Ein Schweinchen auf den Gnadenhof bringen, rettet die Welt nicht“, sagt der Skiclub-Vorsitzende. Er empfiehlt der Gewinnerin, sich ein Schwein zu kaufen und damit glücklich zu werden.

Das wiederum wäre gar nicht so einfach: „Ohne Registrierung am Amt für Landwirtschaft, am Veterinäramt und bei der Tierseuchenkasse geht das nicht“, informiert das Landratsamt Tirschenreuth. Zusätzlich sei die Anmeldung bei der Datenbank HI-Tier erforderlich. „Eine tierschutzgerechte und seuchenhygienisch akzeptable Haltung von Schweinen ist für einen Laien ohne Ausbildung und ohne Kenntnisse zur Schweinehaltung nicht sinnvoll und nicht erlaubt, auch wenn es gut gemeint ist.“

Die tierschutzrechtlichen Hürden wären kein Problem gewesen, beteuert die Gewinnerin nach ihren Gesprächen mit dem Gnadenhof. „Das Schwein wäre erst mal vier Wochen in Quarantäne gekommen“, legt sie die Hand für den Betrieb ins Feuer, auf dem nach eigenen Angaben viele Tiere und zehn Schweine leben – auch ein ehemaliges Spanferkel, bereits acht Jahre alt.

Dass es keine Rechtsgrundlage für einen anderen Preis gibt, darüber sind sich alle Beteiligten einig. „Bei einer solchen Auslobung hat man nur Anspruch auf die ausgelobte Sache“, zitiert Markus Fillinger das Bürgerliche Gesetzbuch. Dem Tirschenreuther Amtsgerichtsdirektor ist ein solcher oder ähnlicher Fall noch nicht untergekommen. „Wenn die Parteien sich aber auf einen anderen Preis einigen, so ist das in der Regel möglich.“

Gewinnerin schreibt Brief

Vanessa Vogel hat nach der gescheiterten Abholung des Ferkels noch einen Brief an den Landwirt und den Metzger geschrieben: „Schade, dass der mündliche Handschlag nicht mehr zählt.“ Wenn ihr von vornherein gesagt worden wäre, dass sie das Schwein nicht lebend bekommt, wäre sie kurz enttäuscht gewesen, hätte den Gewinn weitergegeben und das Geld gespendet, sagt die Neustädterin. „Dann hätte ich doch nicht alles in Bewegung gesetzt.“

Sehen sich Tierzüchter zu Unrecht von Vegetariern an den Pranger gestellt? Ely Eibisch, Chef der im Bauernverband organisierten Berufskollegen im Landkreis Tirschenreuth und der Oberpfalz: „Ich schreibe niemandem vor, Fleisch zu essen, aber ich verbiete es auch niemandem.“ Viele Menschen schätzten und liebten die tierischen Produkte. „Mir ist wichtig, dass der Mensch selbst entscheidet, welches gesunde, ausgewogene Lebensmittel er zu sich nimmt.“

Landwirte könnten viele Bedürfnissen der Gesellschaft erfüllen, spricht der Bauernobmann die Grundversorgung mit Energie, den Erhalt der Kulturlandschaft und gerade in Kriegszeiten die Nahrungsmittelversorgung an. „Diese Bedürfnisse wandeln sich in sehr kurzen Zeitabständen“, weiß Eibisch. Die freie Entscheidung der Verbraucher sei ein hoch anzusetzendes Grundrecht, das Wissen um die Herkunft der Lebensmittel wichtig.

Weitere tierische Preise

„Wenn ein Veganer so einen Preis gewinnt, wäre es wohl am besten, er lehnt diesen einfach ab“, betont auch Gerhard Bauer vom Skiclub, der heuer wieder einen Preisschafkopf plant. Nicht nur das Spanferkel, auch weitere Gewinne wie Sülze, Fleischwurst oder Salami kämen ja für Vegetarier nicht infrage, überlegt er. „Und was ist eigentlich, wenn ein Antialkoholiker das Fass Zoigl gewinnt? Wer die Preise nicht will, der soll einfach daheim bleiben.“

Das wird die Spanferkel-Gewinnerin beim nächsten Schafkopf des SC Stein wahrscheinlich auch tun. „Ich wünsche mir, dass der eine oder andere Mensch zum Nachdenken angeregt wird und es keine tierischen Sachpreise dieser Art mehr geben wird. Ein Lebewesen als Trostpreis anzubieten, ist nicht zeitgemäß“, erklärt Vanessa Vogel ihren Gang an die Öffentlichkeit. Dass sie mit ihrer Lebensweise keine Exotin mehr ist, zeigt ein Blick in die Statistik: Selbst in der Oberpfalz ernähren sich schon 13,1 Prozent überwiegend vegetarisch, hauptsächlich vegan 4,7 Prozent. Die Zahlen sind jedoch schon drei Jahre alt. Eine neue Studie des Landwirtschaftsministeriums läuft.

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Sulzbach-Rosenberg27.01.2023
Hintergrund:

Das ist ein Spanferkel

  • Begriff: kommt nicht von Holzspänen, über denen das Fleisch möglicherweise gegrillt wird, sondern vom mittelhochdeutschen Wort "spenen" (säugen)
  • Definition: wenige Wochen altes Hausschwein, das noch gesäugt wird
  • Tradition: am Grill besonders in Bayern beliebte Zubereitungsart, aber auch in der spanischen und italienischen Küche weit verbreitet
 
 

Kommentare

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Angela Frank

Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Bauer das Schweinchen nicht raus gibt. Was sind die Gründe? Es werden doch alle Vorschriften eingehalten und gibt eigentlich kein Problem! Es wird einen guten Platz auf einen anderen Hof bekommen.
Solche Wortbrüche rücken den ganzen Bauernstand in schlechtes Licht. Da fragt man sich, was hat er zu verbergen?
Also #rücktdiesauraus

08.02.2023