Ein Patentrezept, wie der Einwohnerschwund im Norden der Oberpfalz gestoppt werden könnte, hat noch niemand gefunden. Seit Jahren versuchen die politisch Verantwortlichen in den Kommunen und im Landkreis, an verschiedenen Stellschrauben zu drehen. Die Teilnahme am bayernweiten Modellprojekt "Demografiefeste Kommune" soll zusätzlich helfen, Strategien zu verwirklichen: Dafür genehmigte das Heimatministerium 174.000 Euro, die vorrangig für Beratungsleistungen ausgegeben werden. Dieses Projekt ist ausgelegt auf die Jahre 2021 bis 2025.
"Ab Mitte des Jahres ist eine breite Bürgerbeteiligung geplant", sagte Wirtschaftsförderer Volker Höcht im Ausschuss für Demografie, ländlicher Raum, Landkreisentwicklung und Digitalisierung. "Es geht um eine fachübergreifende Heimatstrategie. Wir sind als einziger Landkreis in Bayern bedacht worden." Ein besonderes Augenmerk soll auf die Entwicklung in Bad Neualbenreuth, Waldershof und Mähring gelegt werden, denn diese Kommunen hatten sich auch einzeln für das Projekt beworben.
Junge Erwachsene fehlen
Momentan läuft die Datenanalyse, die bekannte Tatsachen unterstreicht: Der Landkreis verliert vor allem durch die natürliche Bevölkerungsentwicklung. Der Sterbeüberschuss, bedingt durch mehr Todesfälle als Geburten, wird im Landkreis Tirschenreuth nicht durch Zuzüge ausgeglichen, wie es etwa in Regionen wie München oder Regensburg der Fall ist. Die Lage hat sich zwar etwas stabilisiert, auch durch den Zuzug von Schutzsuchenden aus anderen Ländern, bemerkte Höcht. Nicht zu kompensieren ist vor allem die Abwanderung der potenziell familienbildenden 18- bis 30-Jährigen: "Das ist unser erstes Kernthema."
Speziell an Menschen aus dieser Altersgruppe wendet sich auch das neue Landkreis-Rückkehrerprogramm "Heimat verbindet". Eine besonders große Lücke in der Bevölkerungsstruktur klafft bei den 18- bis 25-Jährigen: Für Ausbildung und Studium verlassen viele junge Leute den Landkreis. Mehr Rückkehrer als Abwanderer gibt es dann erst wieder in der Altersgruppe über 30 sowie über 65 Jahren.
"Der Wettbewerb um Arbeitskräfte wird sich verschärfen", sprach Höcht den allgemein steigenden Bedarf der Wirtschaft an, während die Jahrgänge der "Babyboomer" reihenweise in Rente gehen. "Wir haben einen Mangel an Mietwohnungen. Vor allem fehlt es an attraktivem Wohnraum für eine oder zwei Personen. Wir brauchen aber auch Angebote für Familien", trug der Wirtschaftsförderer Ergebnisse der Analyse vor. Außerdem gibt es zu wenig barrierefreien Wohnraum für ältere Menschen, die Unterstützung brauchen.
Familien auf Wohnraumsuche
Dass die Wohnungssuche auch für Einheimische nicht einfach ist, erklärte SPD-Kreisrat Helmut Zeitler in einer persönlichen Wortmeldung: Er halte schon länger für seine vierköpfige Familie Ausschau nach einem Haus mit Garten, doch viele Erben gäben ihren Bestand nicht her. "Das geht vielen so. Könnte man das Thema nicht mit einer zentralen Anlaufstelle für Heimkehrer und Hierbleiber anpacken, damit diese Menschen dem Landkreis nicht verloren gehen?"
In die gleiche Richtung ging der Vorschlag von Johann Burger (Freie Wähler), der sich eine Vermittlerrolle der Behörden zwischen wohnungssuchenden Familien und Senioren wünschte, denen das eigene Haus eigentlich zu groß geworden sei. "Viele aus der Stadt wollen aufs Land, wir müssen ihnen auch Wohnraum bieten", regte der Kreisrat ein Netzwerk an, das Hausinhabern auch die Angst nimmt, über den Tisch gezogen zu werden: "Das wäre ein Gewinn für beide Seiten."
Erben oft nicht verkaufsbereit
"Wir sammeln momentan schon die Nachfragen nach Wohnraum und versuchen, die Angebote zu bündeln", verwies der Wirtschaftsförderer auf die Rückkehrer-Kampagne. Gerade bei Erbengemeinschaften sei es oft schwierig, alle Interessen unter einen Hut zu bekommen. "Hier geht viel Potenzial verloren." Und natürlich sei bei der Vermittlung auch der Datenschutz zu berücksichtigen.
"Es wird zwar viel investiert, aber es fehlt Wohnraum", fasste Landrat Roland Grillmeier zusammen. Man befasse sich seit Jahren mit der demografischen Entwicklung und gehe positiv mit dem Thema um: "Es gibt wohl keinen Landkreis, der so durchleuchtet ist wie Tirschenreuth." Um das Regionalmanagement zu stärken, wolle man das Sachgebiet im Landratsamt aufstocken, kündigte er an: "Wir stellen uns beim Thema Kreisentwicklung neu auf", dankte er den Fraktionen für die Bereitschaft, mehr Personal einzusetzen.
Bevölkerungsentwicklung im Landkreis Tirschenreuth
- 2000: 79.993 Einwohner
- 2010: 74.802 Einwohner
- 2020: 71.696 Einwohner
- Prognose 2039: 66.200 Einwohner (Quelle: Landesamt für Statistik)
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