Landrat Roland Grillmeier zwischen Kreisbauamt, Klimaschutz und Kliniken AG

Tirschenreuth
06.08.2021 - 15:59 Uhr
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Seit über einem Jahr ist Landrat Roland Grillmeier im Amt. Während dieser Zeit stand zwar die Pandemie oft im Mittelpunkt, aber es gab noch viele andere Themen. Ein Gespräch über künftige Projekte, Bauvorhaben und persönliche Angriffe.

Landrat Roland Grillmeier äußerte sich im Gespräch mit Oberpfalz-Medien ausführlich zu den aktuellen Themen im Landkreis Tirschenreuth.

Mit der momentanen Coronalage im Landkreis zeigt sich Landrat Roland Grillmeier zufrieden. Auch wenn die Zahlen der Tests rückläufig sind, spielen sie für Grillmeier weiterhin „eine große Rolle“. Wichtig seien zudem kreative Konzepte beim Impfen wie der Impfbus.

Bei einer möglichen weiteren Welle sieht der Mitterteicher die Behörden und Strukturen als gefestigt. „Das funktioniert alles.“ Das Gesundheitsamt mit Dr. Stefan Geyer und Dr. Susanne Seidl-Pillmeier an der Spitze sei mittlerweile „bestmöglich aufgestellt“. Auch personell könne das Amt nun schnell reagieren. Mit Blick auf den Herbst und Winter mahnt der CSU-Politiker die Bürger zur Vorsicht: „Man kann nichts ausschließen.“ Es sei wichtig, weiterhin alle Corona-Regeln einzuhalten.

Laut Grillmeier ist Tirschenreuth zweimal von der Pandemie „überrollt worden“. Große Fehler in seinen Ämtern habe er nicht feststellten können, auch wenn „man immer vieles besser machen kann“. Alle Behörden, auch das Landesamt für Gesundheit und das Gesundheitsministerium, seien an ihre Grenzen gekommen. Er habe aber während dieser Zeit gelernt, nicht in Hektik zu verfallen.

Ein Grundproblem sei gewesen, dass auch in der Hochphase der Pandemie das Handeln durch die Bürokratie verzögert wurde. „Gerade in solchen Lagen muss man schneller entscheiden können.“ Als negatives Beispiel nennt er die Verzögerung der Pooling-Tests an Schulen. Auch bei Vergaben „sind wir während der Pandemie einige Male blockiert worden“. Ein aktuelles Beispiel sei das Thema Luftfilter. „Es hätten viel früher klare Vorgaben kommen müssen, jetzt muss jeder Landkreis für sich entscheiden, was er anschafft, und in ewige Ausschreibungsprozesse gehen.“

Kliniken Nordoberpfalz

Die neue Gesellschafter-Regelung bezeichnet der Landrat als Erfolg. Nach monatelangem Auf und Ab hätten sich alle drei Gesellschafter (Landkreise Tirschenreuth und Neustadt/WN, Stadt Weiden) auf eine gute und zukunftsfähige Grundlage geeinigt. Wobei Grillmeier nicht ausschließt, dass es auch die nächsten Monate und Jahre immer wieder Spannungen geben werde. Die nächsten zwei, drei Jahre müsste sich das Sanierungskonzept beweisen.

Es gehe nun vor allem darum, das Vertrauen der Bürger zu gewinnen. „Sie müssen überzeugt werden, dass wir eine gute medizinische Versorgung bieten“, hofft er darauf, mehr Patienten aus dem eigenen Landkreis zu gewinnen. Denn wenn die eigenen Häuser so wichtig sind für die Menschen vor Ort, dann müssten sie auch dazu stehen. Das Ziel sei, die drei Standorte im Landkreis (Tirschenreuth, Kemnath, Erbendorf) zu halten. Positiv hebt er hervor, dass die Kliniken AG ein großer Faktor gewesen sei, um die Corona-Pandemie erfolgreich unter Kontrolle zu bringen. Zu den aktuellen Spekulationen um eine mögliche Ablösung des Vorstands Dr. Thomas Egginger wollte sich Grillmeier am Freitag auf Nachfrage nicht äußern.

Versorgung mit Hausärzten

Damit die Wege zu den Praxen nicht noch weiter werden, setzt der Landkreis auf ein neues Versorgungskonzept. Es beinhaltet auch eine Hausarztschmiede: die Förderung von Lehrpraxen auf dem Land. „Das Thema war mir in der Gesundheitsregion zu unterrepräsentiert“, so der Landrat. Nachdem einige bürokratische Hürden den Start des Projekts verzögert hätten, geht er davon aus, dass im Herbst alles starten könne.

Realschulneubau Kemnath

Seit Ende 2020 steht fest, dass sich die Kosten zum geplanten Neubau der Realschule Kemnath fast verdoppeln: von 35 Millionen auf 65 Millionen Euro. Laut Grillmeier ist verpasst worden, „die 08/15-Standard-Schule und die tollen Schulkonzepte aus dem Architektenwettbewerb zusammenzubringen“. Die Kostenseite hätte man aber von Anfang an realistischer bewerten müssen. Der CSU-Politiker spricht von einer „teuren Schule“, die allerdings nötig sei. „Bei den jetzigen Anforderungen und Auflagen muss man immer viel Geld in die Hand nehmen, um Qualität zu erhalten, egal ob Neubau oder Sanierung.“ Als Beispiel nennt er die Lüftungsanlagen. Diese würden nicht speziell gefördert und kosten rund 1,5 Millionen Euro. Niemand könne aber in Pandemie-Zeiten verantworten, auf Lüftungsanlagen zu verzichten.

Sanierung der Dreifachturnhalle Tirschenreuth

Auch bei der Dreifachturnhalle am Stiftland-Gymnasium kam es zu einer Kostenexplosion: Nachdem das neue Gebäude plötzlich fast 14 Millionen Euro anstatt der Hälfte kosten sollte, ruderten die Verantwortlichen zurück. „Ich gehe davon aus, dass wir die Sanierung im Herbst starten“, so der Landrat. Die Kosten würden auf rund 10,8 Millionen Euro geschätzt. Die steigenden Baupreise und veränderte Planungsvorgaben hätten zum Umdenken geführt. Die Sanierung sei „ein guter Vorschlag“ von Kreisbaumeister Klaus Weig gewesen. Momentan gehe es noch darum, mit der Stadt Tirschenreuth eine Lösung wegen der Kosten zu finden, da auch Vereine die Sportanlage nutzen.

Veränderungen bei den Schulen

„Die Schullandschaft wird sich ändern“, kündigt Grillmeier an. Dabei gehe es auch um Kooperationen von Einrichtungen. Und es müsse diskutiert werden, ob im Schulbereich ein Digitalisierungsbeauftragter nötig ist. Dazu werde man Förderpogramme nutzen. Sein Ziel sei, einen Betreuer für die Schulen zentral zu beschäftigen.

Klimaschutz im Landkreis

Ein Klimaschutzmanager soll im Herbst oder Anfang 2022 seine Arbeit aufnehmen. Dafür gebe es auch eine hohe Förderung aus einem Bundesprogramm. „Das ist aber kein Berater für jedermann, sondern ein Ansprechpartner für das Landratsamt“, erläutert Grillmeier. Der Manager unterstütze die Arbeit der einzelnen Abteilungen.

Für die Bürger sei das Energie-Technologische Zentrum Nordoberpfalz der erste Ansprechpartner. Um aber das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, sei ein Handeln über Landkreisgrenzen nötig. Daher suche er unter anderem die Kontakte zu den Wasserstoff-Netzwerken in Wunsiedel und Neustadt/WN und den Energiepark Wunsiedel. Es könne nicht jeder Landkreis alles haben. „Da müssen wir größer und interkommunaler denken.“

Künftige Projekte

Neben Realschulneubau und Mehrzweckhalle sieht Grillmeier für die nächsten Jahre vor allem sechs weitere mögliche Großprojekte. Höhere Investitionen seien für die Berufsschule, Hallenbad und beim Kreisbauhof nötig. Im Landratsamt brauchen die Mitarbeiter mehr Platz. Neben einem Anbau oder Umbau sei auch die Miete eines Gebäudes an einem anderen Standort möglich. Zudem bringt der Landrat bei diesem Projekt eine mögliche öffentlich-private Partnerschaft ins Spiel: Ein privater Investor baut, der Landkreis least.

Als fünften Punkt verweist er auf das „Rückkehrermanagement und Heimatstrategie Tirschenreuth“. Mit den vielen Themen, die den Landkreis derzeit beschäftigen, könne er sich hier eine Bündelung der Aktivitäten in einer Art Kreisentwicklungsagentur vorstellen. Allerdings sei in diesem Bereich mehr Schwung nötig als bisher. „Auch die Digitalisierung und die Erwartung der Menschen, dass die Verwaltung digital ansprechbar wird, wird uns weiter fordern.“

Gewerbeansiedlungen

Für den CSU-Politiker sind auch künftig größere Gewerbeansiedlungen im Landkreis möglich: „Ich glaube, die Grundstimmung passt, aber man muss die Kritiker mitnehmen.“ Mit Blick auf die Vorgänge um das Projekt der Ziegler-Group in Bärnau wäre es wichtig gewesen, die Seite der Befürworter früher zu aktivieren. Der Bürgerentscheid habe letztendlich gezeigt, dass die Mehrheit dem Vorhaben positiv gegenüber gestanden wäre. Jede Diskussion um Standorte werde automatisch dazu führen, dass sich die Unternehmen auch nach Alternativen umsehen. Gerade unsere Region müsse nach Strukturwandel und demografischer Entwicklung auch die Möglichkeit haben, sich weiter zu entwickeln. Hier könne nicht pauschal die Fünf-Hektar-Regel übers Land gestülpt werden, wie das manche wollen.

Keine Kritik am Kreisbauamt

Die oft aufkommende Kritik am Kreisbauamt teilt der Landrat nicht. „Es hilft nichts, die ganze Zeit auf die Bauverwaltung zu zeigen. Es muss auch eine vernünftige Kommunikation und Kooperation mit den Städten stattfinden“, sieht der Mitterteicher auch die Rathäuser in der Pflicht. Er schätze, dass 80 bis 90 Prozent der Bauanträge „normal durchlaufen“. Die großen Aufschreie gebe es immer bei Verfahren, die sich in die Länge ziehen. Dabei gehe es meist um Vorhaben außerhalb des Bebauungsplans im Außenbereich oder andere Sondergeschichten wie landwirtschaftliches Bauen. Für diese Bereiche müssten die bürokratischen Wege verkürzt werden. Hoffnung setzt Grillmeier hierbei in die digitale Bauakte, mit der man derzeit starte. Die Einführung werde aber sicher noch Zeit in Anspruch nehmen. Als Landrat habe er natürlich gewisse Kompetenzen. In Fällen, wo es vertretbar sei, nutze er diese. „Das habe ich schon in den vergangenen Monaten getan. Aber klar ist: Bestimmte Sachen gehen auch nicht.“

Beziehungen zu Tschechien

Fast jeder zehnte sozialversicherungspflichtige Arbeitsplatz im Landkreis wird von einem tschechischen Bürger besetzt. Die Pandemie hat aber gezeigt, dass hier die Kommunikation zwischen den offiziellen Stellen öfters noch hakt. Daher sagt der Landrat: „Der direkte Draht nach Tschechien muss verbessert werden.“ Ein weiteres Problem: Zu Beginn der ersten Welle waren diesseits und jenseits der Grenze Neuwahlen. Was dazu führte, dass an vielen Stellen neue Kommunalpolitiker sitzen. Mittlerweile seien aber die Kontakte geknüpft.

Für die Zukunft müsse es in Krisenzeiten möglich sein, sich nicht nur über Botschafter, sondern auch über Behörden auszutauschen. Und auch in „normalen Zeiten“ müsse der Kontakt auf Verwaltungsebene ausgebaut werden.

Nach den Vorstellungen Grillmeiers brauche es daher eine Koordinierungsstelle oder einen -rat, um die Kommunikation über die Grenze zu verbessern. „Es muss aber mit Einbindung der Kommunalpolitik auf beiden Seiten passieren. Sonst kann es nicht funktionieren.“ Dabei setzt der Landrat auf die Euregio Egrensis und den 12-Punkte-Plan von Europaabgeordnetem Christian Doleschal.

Persönliche Angriffe

Der oft rüde Ton und persönliche Angriffe in sozialen Medien haben Grillmeier getroffen. Heftigstes Beispiel: Ein Fernsehbeitrag über den Probedurchlauf im Impfzentrum wurde Anfang des Jahres im Netz als Beweis für eine angebliche „Fake-Impfung“ des Landrats verwendet. Er habe deswegen aus ganz Deutschland Bedrohungen und Beschimpfungen über Facebook und per E-Mail erhalten. Zwar hätten Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelt, „aber diese Leute sind nicht zu greifen“. Dies Sache habe ihn belastet: „Das war schon heftig, wie schnell sich so etwas verbreitet.“ Ansonsten würden sich die persönlichen Angriffe in Grenzen halten.

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Mitterteich13.08.2020
Hintergrund:

Zur Person: Roland Grillmeier

  • Alter: 50 Jahre
  • Familienstand: verheiratet, zwei Kinder
  • Beruflicher Werdegang: Ausbildung am Versorgungsamt Bayreuth, 1990 Stadtverwaltung Mitterteich, 2002 bis 2020 Bürgermeister von Mitterteich, seit Mai 2020 Landrat

"Es wurde verpasst, die 08/15-Standard-Schule und die tollen Schulkonzepte aus dem Architektenwettbewerb zusammenzubringen."

Landrat Roland Grillmeier zur Kostenexplosion beim Realschulneubau

 
 

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