Maria Rupprecht betreibt zusammen mit ihrem Partner Johannes Rupprecht von Vohenstrauß (Kreis Neustadt/WN) aus eines der größten Buchhandelsfilialunternehmen Deutschlands. Ein Telefonat mit einer leidenschaftlichen Leserin und erfolgreichen Geschäftsfrau aus der Oberpfalz.
ONETZ: Welches Buch liegt denn zur Zeit auf Ihrem Nachttisch, Frau Rupprecht?
Maria Rupprecht: Ein sehr schönes, nämlich „Was Nina wusste“ von David Grossman. Es basiert auf einer wahren Geschichte und zeigt wie Ungesagtes in einer Familie auf nachfolgende Generationen wirken kann. Und das Neue von Doris Dörrie liegt schon bereit: In „Die Welt auf dem Teller“ schreibt sie über das Leben, Essen und Genießen. Eine unheimlich gute Autorin.
ONETZ: Klassische Medien, heißt es, befinden sich auf dem Rückzug, Sie eröffnen eine Filiale nach der anderen: Wie passt das zusammen?
Maria Rupprecht: Aufgrund meiner täglichen Erlebnisse in der Buchhandlung kann ich das nicht bestätigen. Seit Jahrzehnten heißt es, es würden keine Bücher mehr gelesen. In den Medien spielen gerade derzeit Bücher zu aktuellen Themen eine große Rolle, Autoren sind gefragte Gesprächspartner. Gerade in der Coronazeit ist aufgefallen, dass sich Experten bei Fernsehinterviews gerne vor ihrem Bücherregal präsentieren. Nun gehe ich davon aus, dass die meisten sich gut überlegt haben, welchen Hintergrund die Öffentlichkeit wahrnimmt. Anscheinend macht die heimische Bücherwand im Hintergrund nach wie vor einen guten Eindruck. Gelesen wird weiterhin. Ich glaube an das Buch und den stationären Buchhandel.
ONETZ: Der Markt hat sich aber verändert...
Maria Rupprecht: Das stimmt. Früher musste man in die Buchhandlung gehen, um ein Buch zu kaufen. Heute ist das nicht mehr nötig. Bücher gibt es auch online. Auch in der Buchhandlung selbst hat sich einiges verändert. Lexika verkaufen wir heute zum Beispiel kaum mehr. Dafür sind andere Bereiche stark geworden, wie zum Beispiel Bücher für Erstleser oder Wanderkarten und Wanderführer. Altes ist weggebrochen, Neues dazugekommen. Das ist ein ganz normaler Wandel.
ONETZ: Welche Schlüsse ergeben sich daraus für den Buchhandel?
Maria Rupprecht: Man muss beobachten, was in der Gesellschaft passiert und darauf reagieren. Studien sagen uns, dass die Leute nicht mehr so viel Zeit haben, überreizt sind und in der Informationsflut ertrinken. Zugleich ist die Aufmerksamkeitsspanne kürzer geworden und: Es gibt ein Überangebot an Titeln. Die Menschen wissen nicht mehr, was sie lesen sollen. Es gibt zu viel, und vor allem zu viel Austauschbares. Genau das ist unsere Chance, weil wir bei der Bestellung eine Vorauswahl treffen und die schönsten Titel für unsere Kunden aussuchen. Wir ordern bewusst auch kleine Mengen von unbekannteren Autoren, weil wir uns denken: Das gibt es nicht überall, das ist nicht austauschbar. Etwas zu entdecken, von dem man noch nie gehört hat, das man nicht überall sieht, das ist für mich ein Qualitätsmerkmal einer Buchhandlung.
ONETZ: Ist das das Erfolgskonzept im Buchhandel?
Maria Rupprecht: Beim Einkauf den Kunden im Blick zu haben, macht vielleicht den stationären Buchhandel aus. Bei uns zum Beispiel hat jede Mitarbeiterin beziehungsweise jeder Mitarbeiter einen Bereich für den sie oder er eigenverantwortlich bestellt. Dazu kommt die persönliche Beratung der Kunden. Außerdem achten immer mehr Verlage wieder verstärkt auf die Ausstattung der Bücher. Haptische Reize, Lesebändchen oder ein Leinenrücken werden wahrgenommen und von Kunden sehr geschätzt. Darüber hinaus ist die Hemmschwelle für das Betreten einer Buchhandlung heute viel niedriger als früher. Jetzt gehen die Leute ein und aus, setzen sich hin, treffen sich, schmökern. Die Buchhandlungen sind Orte der Entschleunigung und der Inspiration. Und unsere Sitzgelegenheiten sind ausdrücklich eine Einladung zum Verweilen.
ONETZ: Steht der Erfolg der Ketten im Einzelhandel nicht zugleich für einen Bedeutungsverlust von Individualität und Angebotsvielfalt?
Maria Rupprecht: Wir verstehen uns nicht als Kette, sondern betreiben eine Buchhandlung so, wie wir sie als Kunde gerne hätten. Wenn wir eine neue Filiale einrichten, haben wir zwar den Vorteil, dass wir manches duplizieren können. Letztlich wird aber jede Filiale von den Menschen geprägt, die in ihr beschäftigt sind. Persönliche Färbung schafft Individualität. Ich bin daher sicher, dass kleine, mittlere und große Buchhandlungen nebeneinander existieren können.
ONETZ: Haben Sie das Gefühl, dass sich die Menschen seit Corona für andere Titel interessieren?
Maria Rupprecht: Anfänglich war Unterhaltungsliteratur gefragt. Vermutlich wollten die Menschen der Situation entfliehen. Wichtig waren und sind immer noch Ratgeber, vor allem zu den Themen Natur, Garten, Selbstversorgung, Kochen. Themen, die während des Lockdowns in den Vordergrund gerückt waren. Ich glaube durch Corona fragen sich viele: Warum so viel Stress? und spüre bei den Menschen eine Sehnsucht nach einem freieren Leben, das nicht so durchgetaktet ist. Seit einigen Wochen ist auch die Nachfrage nach Sachbüchern zu politischen und gesellschaftlich relevanten Themen wieder deutlich gestiegen. Das hängt sicher damit zusammen, dass wir täglich mit oberflächlichen Kurznachrichten konfrontiert sind. Die helfen uns aber nicht, Dinge richtig einzuordnen. Solide Informationen sind deshalb wichtig. Und die findet man in Büchern.
ONETZ: Ob Richard David Precht, Harald Lesch oder Maja Göpel: Viele Bestsellerautoren kritisieren unser Wirtschaftsmodell aufs heftigste. Als Unternehmerin verkaufen Sie deren Bücher, expandieren und müssen sich selbst die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Wachstum stellen. Treibt Sie das um?
Maria Rupprecht: Seit Jahrzehnten soll immer alles noch größer, schneller, weiter werden. Diese Wachstumsdenken hält sich hartnäckig, obwohl ja schon seit langem über Nachhaltigkeit gesprochen wird. Gerade die drei genannten Autoren sind wichtig und finden Gehör und Beachtung. Ob sich durch die Coronakrise etwas verändert, das werden wir sehen. Als Unternehmen ist unser Ziel nicht das Maximum. Wir suchen das Optimale, das ist ein Unterschied.
ONETZ: Jemand fragt Sie nach dem Sinn des Lebens: Welche drei Bücher würden Sie empfehlen?
Maria Rupprecht: Da fällt mir „Der Bus von Rosa Parks“ ein, von Fabrizio Silei und Maurizio A. C. Quarello. Das ist ein Bilderbuch für alle Altersgruppen. Es erzählt die Geschichte der amerikanischen Bürgerrechtlerin Rosa Parks, die sich geweigert hat, ihren Sitzplatz für einen Weißen freizugeben. Durch ein einfaches "Nein" hat sie eine Veränderung in der Gesellschaft hervorgerufen. Das ist ein Appell an den Einzelnen: Man darf sich nicht wegducken, jeder kann etwas bewirken. Ein anderes Buch, das mir einfällt, ist „Terror“, ein Theaterstück von Ferdinand von Schirach. Dabei geht es um ein gekapertes Flugzeug, das in die Allianz-Arena geflogen werden soll. Es stellt die Frage, ob der Staat das Flugzeug abschießen darf, zeigt aber keine Lösung. Der Leser soll selbst entscheiden, was richtig ist. Ein Buch, das anregt, zu diskutieren, über Werte, über Rechtsstaatlichkeit, über Menschlichkeit, über vorschnelles Urteilen. Zuletzt noch ein Titel der kanadischen Autorin Emily St. John Mandel, „Das Licht der letzten Tage“. Es wurde schon vor Corona veröffentlicht, passt aber gut zur momentanen Situation: Eine Pandemie hat fast die gesamt Menschheit ausgelöscht, doch die Überlebenden erinnern sich an das Schöne. Die Botschaft: Kultur gibt in schweren Zeiten Kraft und Hoffnung.
Eine Oberpfälzer Erfolgsgeschichte
Die Buchhandlung Rupprecht GmbH, mit Sitz in Vohenstrauß (Kreis Neustadt/WN), zählt zu den führenden deutschen Buchhandelsfilialisten. 1988 eröffneten Maria und Johannes Rupprecht in Vohenstrauß ihr erstes Ladengeschäft, 1997 folgte ein zweites in Weiden. Heute zählen 44 Buchhandlungen zum Unternehmen, das 330 Mitarbeiter beschäftigt. Demnächst werden zwei weitere Filialen eröffnet, in Rosenheim und Regensburg.“
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