Markus Söder hat ein ehrgeiziges Ziel ausgegeben. Bis 2050 soll die Heizwärme im Freistaat zu 25 Prozent aus Geothermie gedeckt werden. "Bayern sitzt auf einer Wärmflasche", hatte der Ministerpräsident 2021 in einer Regierungserklärung gesagt, die müsse man anzapfen. Derzeit wird das warme Wasser im Untergrund aber noch kaum genutzt. Nicht einmal ein Prozent des Potenzials der Heizwärme stammt davon. Und dann ist da noch ein Problem mit dieser Wärmflasche: Sie ist geologisch auf den Raum zwischen Donau und Alpen begrenzt. Deshalb ist in den Debatten um die Geothermie in Bayern der Norden des Freistaats meist außen vor.
Dabei gibt es auch dort kleinere unterirdische Wärmflaschen und Wärmekissen, um im Sprachbild Söders zu bleiben. Was die Nutzung von Erdwärme auch in Nordbayern angeht, ist deshalb Florian Heberle durchaus optimistisch. Heberle forscht als Teil der Geothermie-Allianz Bayern am Zentrum für Energietechnik der Universität Bayreuth und ist sich sicher, dass sich das 25-Prozent-Ziel auch im Norden des Freistaats erreichen lässt. Optimistisch stimmen ihn dabei Untersuchungen des Geo-Zentrums Nordbayern im westlichen Oberfranken, die zwischen Bamberg und Coburg mehrere unterirdische Wärmequellen aufgetan haben. Noch in diesem Jahr sollen aus den Daten geeignete Standorte herausgefiltert werden.
Es muss noch viel geforscht werden
Offen ist unter anderem noch, ob auch in Nordbayern die tiefe Geothermie 4000 bis 5000 Meter unter der Oberfläche angezapft werden kann, wie das im südbayerischen Molassebecken der Fall ist. Denn dort gibt es wasserführende Schichten, aus denen heißes Wasser nach oben gepumpt und in Fernwärmenetze eingespeist werden kann. Anders in Nordbayern. "Wir haben hohe Wärme im Boden, aber der ist nicht durchflutet", erläutert Heberle. Deshalb müsste Wasser nach unten gepresst und anschließend wie von einem natürlichen Durchlauferhitzer erwärmt wieder an die Oberfläche geholt werden. Dieses "petrothermische Verfahren" habe aber noch einigen Forschungsbedarf.
Eine andere Variante wäre die Nutzung des 30 bis 60 Grad warmen Thermalwassers aus weniger tief liegenden Schichten. Für das Einspeisen in Fernwärmenetze würde dieses vergleichsweise leicht förderbare Wasser in 500 bis 1500 Meter Tiefe jedoch zu kühl sein. Hier gebe es jedoch die Möglichkeit, die Temperatur mittels Wärmepumpen auf die erforderlichen 100 Grad und mehr "hochzuheizen", berichtet Heberle. An der Uni Bayreuth steht dafür eine Demonstrationsanlage, die für den großtechnischen Einsatz aber noch nicht ausgereift ist.
Forderung: Nicht nur auf Wasserstoff setzen
Um dabei weiterzukommen, hofft Heberele auf eine stärkere Forschungsförderung durch Bund und Land. Er sieht in der Geothermie mindestens so große Potenziale für eine klimafreundliche und importunabhängige Energieversorgung wie mit der Produktion von "grünem" Wasserstoff. Folglich wäre es aus Heberles Sicht ebenso wünschenswert wie sinnvoll, würde es nicht nur eine mit viel Forschungs- und Entwicklungsförderung unterstützte Wasserstoff-Strategie geben, sondern auch eine für Geothermie. Er ist sich sicher, dass eine ausgereifte Geothermie auch in Nordbayern preislich konkurrenzfähig mit heute üblichen Energieträgern wäre.
Zuversicht verbreitet in diesem Punkt Erwin Knapek, Ehrenpräsident des Bundesverbandes Geothermie. Neben dem Buntsandstein in Franken eigne sich auch der nasse und rissige Granit in den ostbayerischen Mittelgebirgen "optimal" für die geothermische Nutzung, erklärt er im Rahmen einer Expertenanhörung der SPD-Landtagsfraktion. Er verweist auf die Kontinentale Tiefbohrung (KTB) bei Windischeschenbach, wo pro Sekunde drei bis fünf Liter Wasser an die Oberfläche gedrückt worden seien. Knapek fordert vom Freistaat, ein Pilotprojekt im Nordosten Bayerns anzustoßen.
"Perpetuum Mobile der Energiewende"
In diesem Jahr hat der Freistaat zur Förderung der Geothermie 7,5 Millionen Euro im Haushalt eingestellt, weitere zehn Millionen für die Forschung. Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) erklärt dazu, man wolle das Potenzial der Geothermie bayernweit "noch deutlich besser erschließen". Er spricht vom "Perpetuum Mobile der Energiewende". Nach Ansicht der Grünen im Landtag sind diese Förderansätze aber nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. Schon eine Probebohrung koste rund zehn Millionen Euro, der Bau einer Anlage um die 50 Millionen – und da ist das Leitungsnetz in die Haushalte noch nicht dabei. SPD-Fraktionschef Florian von Brunn urteilt: "Das Potenzial ist da, was fehlt, ist der politische Wille bei der Staatsregierung." Die Ampel-Regierung in Berlin hat immerhin bundesweit drei Milliarden Euro an Förderung eingestellt.
Auch die Expertenrunde beim Termin mit der SPD-Fraktion sieht Bund und Land in der Pflicht. Diese müssten vor allem den Kommunen zur Seite stehen, die – wie bei Gas und Strom auch – die Geothermienetze betreiben müssten. Es brauche eine Risikoabsicherung im Fall von Fehlbohrungen, Investitionskostenzuschüsse und Staatsbürgschaften. Zudem müssten die Genehmigungsverfahren vereinfacht werden, noch immer würden Investoren und Kommunen zu viele "Knüppel in die Beine geworfen", heißt es. Um dem zu begegnen, baut Aiwanger gerade eine zentrale Koordinierungsstelle für Bayern auf.
Um das Ausmaß der Aufgabe zu illustrieren, hat der Geothermie-Pionier Knapek noch eine Zahl parat. Damit das von Söder ausgegebene 25-Prozent-Ziel bis 2050 erreicht werde, müsste zusammengenommen jedes Jahr 140 Kilometer in die Tiefe gebohrt werden. Tatsächlich werde aktuell nicht einmal ein Zehntel davon geschafft. Bayerns Wärmflasche wird also wohl noch einige Zeit ziemlich ungenutzt im Untergrund schlummern. Dabei gehen manche Forscher inzwischen davon aus, dass die Geothermie sogar bis zu 50 Prozent der in Bayern benötigten Heizwärme liefern könnte. Klimaneutral und im Betrieb kostengünstig.
Kommentare
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.