Mehr als 12.000 Unterschriften für Erhalt des Notarzt-Standorts Waldsassen

Waldsassen
17.01.2023 - 10:37 Uhr
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Die Kuh ist nicht vom Eis, der Notarztstandort Waldsassen weiter in Gefahr. Davon ist ein junger Mann überzeugt, der mit einer Unterschriftenaktion für den Erhalt kämpft und riesige Resonanz findet. Was geschah bisher, wie geht es weiter?

Jakob Meyer ist 21 Jahre alt und medizinischer Fachangestellter in der Waldsassener Internistenpraxis Fortelny. Der ehrenamtliche Sanitäter fährt seit Jahren als Helfer vor Ort Einsätze für das BRK Waldsassen. Situationen, in denen man mit dem Patienten quälend lange Minuten auf den Notarzt warten muss, kennt er schon genug: "Wir haben ja nur eine beschränkte Ausbildung und Ausstattung." Auch deshalb setzt er sich mit vielen anderen für den Erhalt des Waldsassener Stützpunktes ein. Dafür hat er eine Online-Petition gestartet.

Meyers Chef Dr. Wolfgang Fortelny schlug Anfang November Alarm: Eine Studie, in Auftrag gegeben vom Innenministerium, empfiehlt die Ausdünnung der bayerischen Notarzt-Standorte von 229 auf 190. Im Landkreis Tirschenreuth blieben dann nur die Kreisstadt und Kemnath übrig. Zu den 39 Posten auf der Streichliste soll Waldsassen gehören, aber auch Neustadt/WN, Selb und Wunsiedel. Hintergrund der Überlegungen sind immer größere Personalengpässe, besonders auf dem Land. Dabei glänzt gerade Waldsassen mit einer hervorragenden Besetzungsquote und den meisten Einsätzen im Landkreis. Derzeit 17 Notärzte stellen den Dienst rund um die Uhr sicher.

Analoge und digitale Listen

"Das ist Schwachsinn, da müssen wir was machen", erinnert sich Arzthelfer Meyer nach Bekanntwerden der Planspiele an die Worte Dr. Fortelnys, der selbst einen Großteil der Notfallfahrten von Waldsassen aus übernimmt und die Einsätze der Kollegen koordiniert. In Gesprächen mit Ärzten und medizinischem Personal, was jetzt zu tun ist, war Jakob Meyer als Jüngstem in der Runde klar: "Das müssen wir auch ins Internet bringen."

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Waldsassen11.11.2022

Auf der Kampagnen-Plattform Change.org setzte er sogleich eine Petition auf, die an Innenminister Joachim Herrmann gerichtet ist. "Wir wollten so schnell wie möglich so viele Leute wie möglich erreichen", erzählt der Initiator. Mit der enormen Resonanz hatte er nicht gerechnet: "Sechs Stunden nach dem Start hatten wir schon 1000 Unterschriften."

Die Internet-Petition mit dem Titel "Verhindert die Schließung von Notarztstandorten in Waldsassen und Umgebung!" haben bis Mitte Januar fast 9300 Menschen unterstützt. Unter den Aufruf haben zuerst neun Notärzte ihre Unterschrift gesetzt. "Das Portal ist seriös", unterstreicht Meyer. Wie viele der Unterstützer, die sich mit Namen und E-Mail-Adressen anmelden müssen, aus der nördlichen Oberpfalz sind, kann auch der Initiator nicht herausfiltern. Er weiß aber von sehr vielen, die in der Region leben oder einen starken Bezug zu ihr haben.

Die Wortwahl in der Petition ist deutlich: "Sollte diese Studie in der Realpolitik umgesetzt werden, werden Menschen sterben! Eure Großeltern, Eltern, Kinder, Ihr selbst. Sollte diese Studie umgesetzt werden, sinkt die Lebenserwartung in unserer Heimat. Sollte diese Studie umgesetzt werden, werden wir Menschen auf dem Land zu Menschen zweiter Klasse."

"Mehr Lichter auf Friedhöfen"

Jeder auf dem Land wisse, dass der Rettungsdienst sehr lange brauche, um zu den Patienten zu fahren und noch länger, um sie in die nächste Klinik zu bringen. Wenn das Innenministerium dem Vorschlag folge, "gehen bei den Notärzten die Lichter aus und auf den Friedhöfen sehr viel mehr Lichter an", heißt es in der Petition. "Stoppt die Zerstörung unserer medizinischen Grundversorgung", endet der Aufruf. "Es sollte fachlich richtig und nicht zu reißerisch sein", sagt Meyer. Klar sei aber auch, dass man mit Umschreibungen und Beschönigungen im Gesundheitswesen nicht weit komme.

Parallel zur Online-Aktion startete die Sammlung von Unterschriften auf Papier. 2100 wurden bereits an Bürgermeister Bernd Sommer übergeben, der sie bei einem Termin im Dezember in München mit Landrat Roland Grillmeier an den Innenminister überreicht hat. Inzwischen dürften es weit mehr als 3000 Autogramme sein, schätzt Jakob Meyer. Die Listen liegen in zahlreichen Arztpraxen, Apotheken und Geschäften aus – sogar in der Basilika Waldsassen. Die Initiatoren freuen sich über viel Entgegenkommen: Auch große Firmen seien bereit gewesen, das Anliegen bei ihren Mitarbeitern publik zu machen.

Ziel: Schriftliche Zusicherung

"Wir haben jetzt wohl einen Zenit erreicht", sagt Meyer über den Verlauf der Aktion. Erklärtes Ziel der Petition ist die schriftliche Zusicherung eines Entscheidungsträgers, den Notarztstandort nicht zu schließen. "Ich hoffe natürlich, dass unser Einsatz was bringt", sagt der 21-Jährige. Persönlich sei er realistisch bis pessimistisch, räumt er ein und rechnet nicht mit einem schnellen Erfolg, der Waldsassen als Standort garantieren würde. Eher mit der Weitergabe des Schwarzen Peters.

Indiz dafür könnten Aussagen des Innenministers sein, wonach die Studienempfehlungen nicht zwingend umgesetzt werden müssen: Die Entscheidung liege allein bei den regionalen Rettungszweckverbänden, betonte Herrmann bei der Übergabe der ersten Unterschriften. Der Vorsitzende des Zweckverbands Nordoberpfalz, Neustadts Landrat Andreas Meier, sieht aktuell keine Notwendigkeit einer Strukturänderung. Er hält aber eine Bestandsgarantie "unter allen möglichen Umständen und für alle Ewigkeit" für unseriös.

Das Thema Notarztmangel kam auch am Rande der letzten Sitzung des Rettungszweckverbands im Dezember zur Sprache. Dabei forderte Dr. Jürgen Altmeppen, Chef-Anästhesist der Kliniken Nordoberpfalz, eine teilweise Umschichtung des Budgets, um mehr Geld in die Ausbildung von Notärzten zu stecken.

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Waldsassen12.12.2022

"Mein Ziel ist, die Leute zu informieren", betont Unterschriften-Sammler Jakob Meyer. "Wir müssen wissen, was auf uns zukommt, damit wir nicht wie bei der Schließung des Krankenhauses vor vollendeten Tatsachen stehen." Und er verweist darauf, dass auch vor der umstrittenen Verlegung des Rettungswache-Standortes von Waldsassen nach Mitterteich vor einigen Jahren eine Studie der Auslöser war.

Unterstützung aus Kommunen

Persönlichen Antrieb für den Kampf um kurze Wege zum Patienten hat der 21-jährige Waldsassener übrigens nicht nur als Helfer vor Ort und aus dem Berufsalltag, wenn der Chef direkt aus der Praxis mal wieder zu einem Notfalleinsatz muss. Auch im familiären Umfeld bekam er schon als Jugendlicher mit, wie wertvoll schnelle Hilfe etwa bei einem Herzproblem ist.

Zu den insgesamt mehr als 12.000 Unterschriften haben viele Bürger aus den umliegenden Kommunen beigetragen. Solidarität gab es etwa aus den Stadt- und Gemeinderäten Waldsassen, Mitterteich, Bad Neualbenreuth, Wiesau und Konnersreuth. Dort starteten Senioren sogar eine eigene Aktion, die innerhalb weniger Wochen 362 Unterstützer fand. Auch diese Listen wurden dem Innenminister bereits übergeben. Der Kampf ist mit dem Termin in München auf jeden Fall nicht zu Ende, versichert Jakob Meyer: "Wir sammeln weiter Unterschriften, online und auf Papier."

Hintergrund:

Notarzt-Einsätze 2021 pro Standort

  • Waldsassen: 991
  • Kemnath: 929
  • Tirschenreuth: 585
  • Weiden: 2018
  • Neustadt: 1063
  • Eschenbach: 924
  • Vohenstrauß: 873
  • Marktredwitz: 1489
  • Selb: 1386
  • Wunsiedel: 985
  • Quellen: Rettungszweckverbände Nordoberpfalz und Hochfranken
 
 

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