Seit September drosselt das Chemieunternehmen BASF die Ammoniakproduktion. Auch Düngemittelproduzenten fahren den Betrieb herunter. In beiden Fällen ist die Produktion der Verbindung von Stickstoff und Wasserstoff aufgrund der gestiegenen Erdgaspreise nicht mehr wirtschaftlich. Jetzt wirkt sich das fehlende Ammoniak auf die Produktion von AdBlue aus. Die betroffenen Gewerbezweige in der Region registrieren die Situation, sind aber relativ entspannt, weil sie zumindest ihre Stammkundschaft mit dem Diesel-Abgasreiniger bislang noch gut versorgen können.
Mineralöl-Lieferfirmen
Gerhard Bergler von der gleichnamigen Mineralöl GmbH in Weiherhammer hat aktuell kein Problem, seine insgesamt 15 Tankstellen und den Fuhrpark mit rund 100 Lkw mit dem Kraftstoffzusatz AdBlue zu versorgen. Seine Firma werde von einem Lieferanten mit dem Dieselzusatz "zuverlässig, so wie in den vergangenen Jahren auch" eingedeckt. Allerdings habe sich der Preis mittlerweile vervierfacht. Und diese Verteuerung müsse er komplett an seine Kunden weitergeben. Es mache einen Unterschied, ob es sich um Kunden handelt, "die alle paar Jahre mal vorbeischauen", weil sie auf der Suche nach dem günstigsten Anbieter keine festen Bindungen eingehen wollen. "Die kriegen derzeit bei uns nichts", erklärt der Firmenchef. "Gewachsene Kundenbeziehungen" seien für ihn entscheidend. Seine Stammkunden wie Speditionen würden stabil versorgt.
Bergler vergleicht den "Hype um AdBlue" mit den Lieferengpässen beim Holz oder Kunststoffrohren im Frühjahr. "Das Problem sind die Hamsterkäufer, die die Lage noch befeuern. Die sind schuld daran, dass sich auf dem Markt ein Sog entwickelt." Er nennt einen weiteren Aspekt: "Bei AdBlue ist es ähnlich wie bei den Bierkisten. Es ist ein Rundlauf. Derzeit bekommst du nicht mal AdBlue-Behälter, weil sie alle im Umlauf sind." Deswegen erhalten die Autofahrer an seinen Tankstellen nur einen AdBlue-Kanister. "Alles andere wäre ein Schmarrn, weil sich die Kunden in einem halben Jahr ärgern würden, wenn der Preis dann wieder auf ein normales Niveau gesunken ist." Bergler rät den Autofahrern: "Kauft weniger und bleibt entspannt. Die Menge, die man für einen Pkw braucht, wird nie ausgehen."
Die Weidener Firma Deglmann Energie hat das Problem der Lieferschwierigkeiten durch die sehr eingeschränkte Mengenverfügbarkeit von AdBlue bereits im September erkannt und dementsprechend gehandelt. Geschäftsführer Christian Flieger kann die Kundschaft wie Speditionen oder landwirtschaftliche Betriebe beruhigen: "Wir sind sehr gut aufgestellt und können unsere Kunden und auch Neukunden beliefern." Allerdings zu einem Preis, der sich laut Deglmann-Sprecher verdreifacht habe. Hamsterkäufe habe man durch Gespräche mit den Geschäftspartnern verhindern können. Flieger: "Das würde die Situation nur noch verschärfen. Unsere Kunden waren da sehr einsichtig." Der Geschäftsführer rechnet, dass sich der Markt im Frühjahr erholen werde.
Speditionen
"Wir haben in unserem 5000-Liter-Tank noch 900 Liter AdBlue drin", erklärt Michael Kraus, Geschäftsführer der MK-Logistics in Pleystein. Nachschub zu bekommen, sei nicht einfach. Seine beiden Lieferanten hätten Kraus zwar eine kleine Menge in Aussicht gestellt, "es wird aber interessant, ob ich die auch bekomme". Seine 28 Fahrer müssten immer häufiger von einer Tankstelle zur nächsten, um für teures Geld "wenigstens ein paar Tropfen" des Kraftstoffzusatzes zu ergattern. "Wenn dann keiner da ist, und das AdBlue ausgeht, schalten die Fahrzeuge in das Notprogramm. Dann können sie mit 20 km/h versuchen, die nächste Tankstelle zu erreichen." Wenn es sich bei der Transportware dann auch noch um Adventskalender handle, die termingerecht geliefert werden muss, werde die Sache heikel. AdBlue sei aber nur ein kleines Problem unter vielen größeren, angefangen vom teuren Dieselkraftstoff über den Fahrermangel bis zur Tatsache, dass die Speditionen keinen freien Laderaum mehr finden. Kraus will "noch nicht von englischen Verhältnissen sprechen". "Kurzfristige Bestellungen werden aber bald nicht mehr laufen", so der Spediteur.
Für die Spedition Sommer in Floß läuft die Versorgung mit AdBlue laut Firmenchef Jan Sommer noch relativ gut. Zwar habe er versucht, vor ein paar Wochen den Dieselzusatz "etwas zu hamstern". Dies sei ihm aber nicht in der Größenordnung gelungen, die er sich vorgestellt hatte. "Ich will mir auch nicht das ganze Lager damit vollstellen", zumal sich der Preis, den er seinem Lieferanten zahlen muss, bislang verdoppelt habe. Sommer setzt darauf, dass sich die Lage wieder entspannt. "Falls es eine echte Knappheit geben wird, muss der Staat reagieren", meint der Spediteur. Die AdBlue-Bindung könnte aufgehoben werden. Dies sei technisch überhaupt kein Problem. Allerdings würden dann die CO2-Vorgaben nicht mehr eingehalten.
Busunternehmen
Wolfgang Wies befindet sich mit seinem Busunternehmen derzeit hinsichtlich der Versorgung mit Adblue auf einer heiklen Fahrt ins Blaue: "Vor 14 Tagen hat es noch sehr schlimm ausgesehen. Im Moment sind wir gut eingedeckt. Aber wir kaufen tatsächlich alles, was zu haben ist - und wenn es 1000 Liter sind." Die Krux umschreibt er folgendermaßen: "Je moderner mein Fuhrpark ist, umso größer das Problem." Von seinen 70 Fahrzeugen an zwei Standorten sind 95 Prozent mit der modernen Euro 6-Norm unterwegs. Und für all diese Dieselbusse braucht Wies AdBlue. Selbst als Großverbraucher könne er nicht Zehntausende Liter davon lagern. "Wir haben monatlich regelmäßige Lieferungen. Und beim letzten Mal war es schon kritisch." Ohne AdBlue würden die Busse in eine Notprogramm schalten. "Mit dem kann man noch die letzten Kilometer mit 40 km/h fahren. Und dann stehen diese Fahrzeuge ganz schnell." Angesichts der Tatsache, dass Wies mit seiner Flotte hauptsächlich im öffentlichen Nahverkehr unterwegs sei, auch Schüler transportiere und das Unternehmen damit systemrelevant sei, wäre es gut, "wenn in die Lage wieder etwas mehr Stabilität reinkommen würde".
Werner Berlinski, Chef des Omnibusunternehmens Göttel in Grafenwöhr, hat einen 1000-Liter-Tank, der noch zur Hälfte voll ist mit AdBlue. Diese Menge reiche für die Versorgung der 15 Busse, mit denen unter anderem auch Schüler transportiert werden, für etwa vier Wochen. "Ich habe von dem Problem gehört und schon mal wieder eine Lieferung geordert", erklärt der Firmenchef. Berlinski hoffe, dass er von der Baywa nach wie vor mit dem Zusatzstoff versorgt werde.
AdBlue
- AdBlue, eine flüssige Harnstofflösung, wird bei Fahrzeugen mit SCR-Systemen zur Reduzierung der Stickoxidemissionen vor einem speziellen Katalysator eingespritzt. Dort reagiert sie mit den Schadstoffen und wandelt sie fast vollständig in Wasserdampf und ungefährlichen Stickstoff um.
- Die wässrige Lösung besteht zu 32,5 Prozent aus Harnstoff, der synthetisch durch die chemische Reaktion von Ammoniak und Kohlendioxid hergestellt wird.
- Für die Herstellung von Ammoniak benötigen zuliefernde Chemie-Konzerne wie BASF oder SKW wiederum Erdgas.
- Wegen der aktuell hohen Erdgaspreise haben die Firmen ihre Ammoniak-Produktion zurückgefahren.
- Das Problem betrifft nicht nur Pkw. Bei Lkw mit den Abgasnormen Euro 5 und 6 sind SCR-Kats mit Adblue-Beimischung seit 2008 Vorschrift. Zudem benötigen viele Baumaschinen und Schiffe die Harnstofflösung zur Abgasreinigung.
Kommentare
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.