„Herzlichen Glückwunsch, Sie haben gewonnen“: So werden Senioren in der Nordoberpfalz abgezockt

Weiden in der Oberpfalz
21.07.2022 - 17:05 Uhr
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Ein angeblicher Gewinn per Post oder Telefon. Doch bevor die Glückspilze den Gewinn erhalten können, müssen sie in Vorleistung gehen. So funktioniert die Masche der falschen Gewinnspiele.

Ein angeblicher Gewinn per Post oder Telefon. Doch bevor die Glückspilze den Gewinn erhalten können, müssen sie in Vorleistung gehen. So funktioniert die Masche der falschen Gewinnspiele.

"570 Chancen, um bis zu vier Millionen Euro zu gewinnen. Für nur 20 Euro sind Sie dabei." Solche Gewinnversprechen landen immer wieder bei Verbrauchern in den Briefkästen. Vor allem Senioren sind das Ziel der Betrüger. So auch der Vater eines Weideners. Dieser bekomme seit fünf oder sechs Jahren Briefe mit Gewinnversprechen. Eine der Firmen gibt beispielsweise vor die offizielle Australische Lotterie zu sein. "Hochgerechnet bekommt mein Vater um die hundert Briefe mit falschen Gewinnspielen im Monat." Wiederholt habe der Weidener versucht seinen Vater von den Gewinnspielen abzuhalten. Ohne Erfolg: In der Hoffnung auf bessere Gewinnchancen stecke der 83-Jährige immer wieder 20 bis 40 Euro in den Rücksende-Umschlag. "Mein Vater versteht einfach nicht, dass es kein echtes Gewinnspiel ist. Die Briefe wirken auf ihn immer offiziell."

Julia Zeller, Referentin im Verbraucherrecht von der Verbraucherzentrale München, weiß, dass in dem offiziell-wirkenden Charakter, ein Teil der Masche liegt. "Gewinnspiele, welche per Post oder E-Mail kommen, machen in der Regel einen sehr seriösen Eindruck und vermitteln, dass der Absender eine offizielle Behörde oder ein bekanntes Unternehmen ist." In den meisten Fällen erhalte der vermeintliche Gewinner den Gewinn nicht oder der gewonnene Gegenstand sei wertlos.

Verschiedene Maschen der falschen Gewinnspiele

"Ist eine Masche bekannt, wird versucht sich mit einer neuen Masche wieder zu bereichern", erklärt Zeller. In den meisten Fällen werde der Gewinn nur gegen eine "Bearbeitungsgebühr" ausbezahlt. Diese liege häufig bei mehreren Hundert Euro und soll angeblich angefallene Kosten decken, wie Zollgebühren oder Transportkosten. Häufig handle es sich um einen angeblichen sehr hochwertigen Gewinn, wie beispielsweise ein neues Auto, sagt Zeller. "Eine andere Masche ist es, dass der Gewinn mit zusätzliche Kosten verbunden wird. Es muss beispielsweise ein Zeitschriftenabo abgeschlossen werden. Oder es müssen die Anreisekosten für eine angeblich gewonnene Reise im Vorfeld selbst bezahlt werden."

Auch der 83-Jährige aus Weiden wurde von einem der Unternehmen dazu aufgefordert Produkte aus dem Katalog zu bestellen und zu bezahlen. Der Grund: Die Gewinnchancen auf eine Alters-Zusatz-Versicherung im Wert von 280 000 Euro würden sich dadurch verbessern, so die Ausschreibung.

Zeller warnt vor diesen Gewinnversprechen. "Wenn sich die angeblichen Gewinner weigern die Kosten zu bezahlen, wird teilweise auch mit einer Anzeige oder einem Rechtsstreit gedroht. Es wird Druck aufgebaut, da die Kosten von der Firma angeblich schon bezahlt wurden."

Der 83-jährige Weidener musste das bis jetzt noch nicht erleben. Allerdings habe er laut seinem Sohn über die Jahre verteilt bereits eine vierstellige Summe an die verschiedenen Betrüger-Firmen gezahlt. "Mein Vater regt sich über die Leute auf, die auf den Enkeltrick reinfallen und einem Fremden Tausende von Euros zahlen. Dabei fällt er selbst auf Betrüger rein."

Die Betrüger bauen Druck auf

Die Täter seien, laut der Verbraucherschützerin, in der Regel nur schwer zu greifen, da diese aus dem Ausland und unter falscher Identität agieren oder es sich um Scheinfirmen handle. "Wer nie an einem Gewinnspiel teilgenommen hat, kann auch nichts gewinnen", sagt Zeller. Wenn in irgendeiner Form in Vorleistung gegangen werden soll, wie zum Beispiel Waren bestellen, Gebühren bezahlen oder die Kontonummer angeben werden soll, sollten Verbraucher sofort Abstand nehmen, betont sie. Durch das Ausfüllen und Rücksenden der Briefe, würden die Betrüger nur immer mehr solcher Briefe schicken.

Das ist auch bei dem 83-jährigen Weidner der Fall. "Mittlerweile sind es in der Woche so viele, dass er die Briefe mit den falschen Gewinnspielen nicht mehr von wichtigen Briefen unterscheiden kann. Die gehen dann einfach unter", sagt der Weidener. Da sich sein Sohn nicht anders zu helfen weiß, schaut er regelmäßig in den Briefkasten und versucht möglichst die Briefe vor seinem Vater versteckt zu halten. Auch eine Anzeige bei der Polizei habe nicht geholfen.

Bei Forderungen Abstand nehmen

Der Polizeioberkommissar Michael Duschl vom Polizeipräsidium Oberpfalz betont, dass die Polizei nur schwer an die Betrüger im Ausland drankomme. "Deshalb setzen wir auf Prävention und Aufklärung, sodass es gar nicht erst zu einem Schaden kommt." Auch jüngere Personen würden häufig zu Opfern der Masche. "In der Hoffnung auf einen Gewinn kommen sie den Forderungen der Betrüger nach." Dennoch seien vergleichsweise häufig Senioren von der Masche betroffen. "Gründe hierfür sind, dass Senioren oft allein leben und schneller von den Betrügern überrumpelt werden. Darüber hinaus treten die Täter sehr freundlich und überzeugend auf."

Dennoch falle der erbeutete Betrag im Vergleich zu anderen Maschen gering aus, sagt Duschl. "Generell sind die Fallzahlen nicht steigend und im Vergleich zu anderen Callcenter-Betrugsmaschen wie Enkeltrick oder Schockanruf eher niedrig einzustufen." So habe der durch falsche Gewinnversprechen erbeutete Betrag im letzten Jahr im niedrigen sechsstelligen Bereich gelegen. Angehörigen rät der Polizeioberkomissar insbesondere alleinstehende nahe Verwandte zu sensibilisieren und im Falle eines Betrugs Anzeige zu erstatten.

Der Weidener habe bereits mehrfach versucht seinen Vater für das Thema zu sensibilisieren. "Wir waren sogar zusammen bei der Polizei und bei der Verbraucherzentrale." Doch auch das habe seinen Vater nicht davon abbringen können, bei den Gewinnspielen weiter mitzumachen. "Wenn meine Mutter und ich ihm sagen, dass er die Briefe wegschmeißen kann, wird er immer besonders wütend und es kommt zum Streit. Er ist in der Hinsicht wie im Wahn."

Wenn ihm dann doch mal ein Brief mit einem ausgefüllten Gewinnspiel in die Finger kommt, nimmt der Weidener das Geld und kauft seinem Vater etwas für seinen Garten. "Darüber freut er sich dann."

Hintergrund:

So können sich Verbraucher schützen

  • Wer nie an einem Gewinnspiel teilgenommen hat, kann auch nichts gewinnen;
  • In keinem Fall persönliche Daten wie Kontonummer, Anschrift oder Geburtsdatum angeben;
  • Niemals Geld für einen angeblichen Gewinn zahlen, unberechtigte Forderungen zurückweisen und keine Zusagen am Telefon machen;
  • Konkrete Daten des Anrufers abfragen: Verbraucher sollten nach dem Namen des Anrufers, dem Namen der Firma und nach dem konkreten Gewinnspiel fragen;
  • Nach einem solchen Anruf sollten Verbraucher regelmäßig den Kontoauszug kontrollieren, um schnell auf unberechtigte Abhebungen reagieren zu können;
  • Wer bereits gezahlt hat oder eine unberechtigte Abbuchung findet, sollte sich mit der Bank in Verbindung setzen und versuchen, die Zahlung rückgängig zu machen;
  • Zudem sollten Verbraucher eine Anzeige bei der Polizei erstatten;
 
 

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