"Die Erbendorfer klagen: ‚Wir haben keinen Pfarrer mehr‘." Wenn Manuel Sauer diesen Satz hört, antwortet er: "Doch, mich." Dabei ist der Geistliche und Stellvertreter des Weidener Dekans Pfarrer von Wildenreuth mit Parkstein, Kirchendemenreuth und Thumsenreuth. Der Dialog ist symbolhaft für das, was Auswirkungen auf viele Protestanten hat im evangelischen Dekanat Weiden.
Ein Hintergrund für die Veränderungen ist die seit Jahren schwindende Zahl der Kirchenmitglieder. "Momentan haben wir 30 bis 40 Austritte im Monat, 400 im Jahr und damit mehr als ein Prozent", sagt der Weidener Dekan Thomas Guba. "Das ist zu viel." Um hier entgegen zu arbeiten, sei es wichtig, den direkten Kontakt zu den Menschen herzustellen. Und das ist gar nicht so einfach in diesem Gebiet zwischen Tirschenreuth im Norden und Wernberg-Köblitz im Süden, zwischen Kirchenthumbach im Westen und im Osten der Grenze zum Nachbarland, wo die evangelische Kirche der Böhmischen Brüder ihr Zuhause hat.
Gebäude aufgeben
"Jesus hat nicht gesagt, ‚Bleibt alle sitzen an Euren Schreibtischen!‘, sondern ‚Geht hin zu den Menschen!‘", beschreibt Sauer den Auftrag. Das A und O seien Besuche. "Gesichter sind wichtiger als Gebäude", sagte sein Grafenwöhrer Kollege Thomas Berthold mit Blick auf St. Johannis in Kirchenthumbach oder das evangelische Vereinshaus in Weiden, von denen sich die Protestanten trennen. "Nach dem Entschluss, die Steine aufzugeben, sind in Kirchenthumbach Energien aufgekommen", ergänzt Dekan Guba. Zuvor sei zu oft die Frage im Raum gestanden, wie man Kirche und Gemeinderaum wieder nutzbar machen könne. "Das kirchliche Leben drehte sich nur noch um Renovierung und Finanzierung."
Personalmangel
"Es muss ins Bewusstsein, dass wir wie im Steinwald mehr in Regionen zusammenarbeiten." Das Hauptproblem in der nördliche Oberpfalz sei aber nicht die per Vorgabe der Landeskirche schwindende Zahl an theologischen Stellen in ganz Bayern und damit auch im Dekanat Weiden, gibt Guba zu bedenken. "Das Problem ist, die vorhandenen Stellen zu besetzen." Hier geben sich die Notwendigkeit und die Realität für die Zukunft der evangelischen Gemeinden die Hand. Von zuletzt 30,5 muss das Dekanat die Zahl der hauptamtlichen theologischen Mitarbeiter bis Mitte 2024 auf 28,5 reduzieren.
Mit dem Landesstellenplan versuche die Kirche mehr Gerechtigkeit innerhalb der Gemeinden herzustellen. Das ist zunächst schwierig zu verstehen, wenn im Stiftland ein Hauptamtlicher auf 1040 Protestanten kommt, er in Weiden aber 1700 evangelische Schäfchen zu betreuen hat. Hintergrund: Neben der Zahl der Gemeindeglieder spielt auch die Größe der Fläche eine Rolle. Guba: "Schlechter darf der Schlüssel nicht werden, sonst schaffen wir das nicht mehr."
Pläne machen
Zähneknirschend hätten die Ehrenamtlichen vor Ort Kürzungen akzeptiert, berichtet der Dekan aus Besuchen bei allen betroffenen Kirchenvorständen. "Wir müssen aufeinander zugehen, uns absprechen und Pläne machen."
Dass das für die Menschen ein Umdenken erfordert, ist auch dem Dekan klar. Er spricht von einer Entwicklung zur regio-lokalen Kirche und gabenorientiertem Arbeiten. "Was ist lokal zur erledigen und muss da bleiben und was geht in der Region besser?", laute hier die Kernfrage. Beispiele? Konfirmandenunterricht muss nicht jede Gemeinde zum Teil mit nur ein bis drei jungen Menschen einzeln machen. Künftig bilden mindestens acht Jugendliche eine Konfigruppe. Die Arbeit mit Kindern und viele Verwaltungsaufgaben seien in regionalen Teams ebenso denkbar wie gemeinsame Gottesdienste. Dass das klappt und angenommen wird, macht die Steinwaldregion seit Jahren vor.
Große Entfernungen wie zwischen Speichersdorf und Grafenwöhr erfordern andere Lösungen als bei näher zusammenliegenden Orte, ergänzt Pfarrer und stellvertretender Dekan Berthold mit Erfahrungen aus seinem Arbeitsfeld. Sauer sieht beispielsweise kirchliche Angebote für Senioren eher lokal verortet.
Beispiel Regensburg
Die Idee der Regionen ist nicht neu und eigentlich eine Übertragung des Modells einer städtischen Gesamtkirchengemeinde in den ländlichen Raum. In Regensburg beispielsweise nimmt diese einige Aufgaben der Kirchengemeinde wahr, wie beispielsweise die Grundstücks- und Bauverwaltung oder auch die Herausgabe eines gemeinsamen Gemeindebriefs.
"Den Ehrenamtliche, der sein Ehrenamt voll in der Kirche ausgeübt hat, gibt es nur noch in Ausnahmen", hat Guba erfahren. Ehrenamtliche seien multipel in Kirche, Verein und Politik engagiert. Berthold: "Die Kirche ist nur noch ein Teil seines Engagements." Veränderungen nach der Pandemie seien auch Model für andere nach der Strukturreform, beobachtete sein Steinwald-Kollege Sauer. Er verweist auf das Aus für zwei Kirchenchöre und neu entstandene Dinge wie einen Projekt- und einen Kinderchor. Das gebe Hoffnung für Ideen in den wachsenden Strukturen.
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