Wenn es draußen stürmte und schneite zwischen Allerheiligen (1. November) und Lichtmess (2. Februar), blieben unsere Vorfahren lieber daheim. Es war die Zeit der dunklen Nächte, wo der Ostwind arg an den Fenstern rüttelte und es nicht mehr hell werden wollte. Da schauderte es den Menschen. Sie meinten, draußen gingen wilde Gesellen um.
Unzählige Mythen, Legenden und Geschichten ranken um die sogenannten Raunächte – die zwölf Tage zwischen dem 25. Dezember und 6. Januar. Wie es so ist, sind es meist die schauderhaften Erzählungen, die im Gedächtnis der Menschen bleiben und überliefert werden. Dabei dienen die Raunächte viel mehr der Läuterung der Seele und tragen positive Kräfte in sich, wie Ulrike Gschwendtner weiß. "Denn die Raunächte haben viel mit Kräutern zu tun. Die Leute auf dem Land nutzten diese Zeit zum Ausräuchern ihrer Häuser und Ställe“, erzählt die 58-jährige Kräuterführerin aus Weiden.
Die Seele entrümpeln
Gschwendtner nennt die Raunächte eine „übrige Zeit“ oder „Niemandszeit“ und spricht dabei von der Zeit zwischen den Jahren. Da hätten die Menschen mehr Muße für Dinge, die sie während des Jahres nicht erledigen können. Die Kräuterfachfrau denkt dabei nicht nur an das Aufräumen in Haus und Hof. Es geht ihr auch um das Aufräumen der menschlichen Seele. Diese Mythologien seien bis heute weiterhin gültig. „Nur geriet das Wissen darüber weitgehend immer mehr in Vergessenheit“, bedauert sie. Zwar würden die Menschen nach wie vor an Heilmittel aus der Natur glauben und diese auch nutzen. Den Boom nach exotischen Heilpflanzen findet sie allerdings unnötig. Sie möchte mit den wertvollen Wirkstoffen der heimischen Natur einen Gegenpol setzen. „Jedes Land hat seine eigenen natürlichen Mittel. Alles was wir brauchen, wächst vor unserer Haustür.“
Raunächte, erklärt sie, seien zwölf besondere Nächte bis 6. Januar. Nicht alle sind bekannt. Aber einigen Bräuchen wird weiterhin gefrönt, obwohl die wenigsten um ihre Bedeutung wissen. Die Andreasnacht am 30. November macht den Auftakt der Raunächte. Der 4. Dezember ist der heiligen Barbara gewidmet. An diesem Tag geschnittene Kirschzweige blühen an Weihnachten blühen. Am 13. Dezember wird Lucia geehrt, bekannt als besonderes Fest der Schweden. Die winterliche Sonnenwende in der Thomasnacht trifft auf den 21. Dezember und wird inzwischen wieder häufiger mit großen Feuern draußen gefeiert. Immer, sagt Gschwendtner, sei es die Nacht dieser Tage, die in der Mystik außergewöhnlich kraftvoll sein soll.
Die Percht und die Wäsche
Mit ihrem Wissen möchte die Kräuterexpertin den Raunächten die Schrecken nehmen, die über sie in den Jahrhunderten verbreitet wurden. Nahezu jeder kennt die Legende über die "Wilde Percht", die in den Raunächten durch die Gegend streift und Seelen sammelt. "Wegen der Percht hat man in den Raunächten keine Wäsche gewaschen und aufgehängt. Sonst hätte sich die wilde Jagd mit ihrem Gefolge verheddern können und wäre geblieben. Dazu muss man wissen, dass einst auch im Winter die Wäsche draußen aufgehängt wurde. Das tut heute niemand mehr“, lacht Gschwendtner und schreibt der Percht, die Seelen ins Jenseits holte, auch ein gutes Gesicht zu. Es gebe über sie Tausend Deutungen, sagt sie. Wer sich mit der Percht näher auseinandersetzen wolle, müsse sich eben für eine entscheiden.
Ulrike Gschwendtner wendet sich lieber den positiven Kräften der Raunächte zu. „Das allein ist es aber nicht. Die Raunächte waren bei unseren Vorfahren auch eine Zeit, in der gern Liebes- und Fruchtbarkeitsrituale angewandt wurden“, sagt sie. "So haben die Mädchen an die Barbarazweige damals die Namen der Burschen gehängt, auf die sie ein Auge hatten. Dann haben sie geschaut, welcher Zweig als erster blüht.“
Außerdem wurde Ordnung geschaffen im eigenen Leben oder Unerledigtes endgültig abgeschlossen. „Schulden können beglichen werden, Geliehenes sollte man zurückgeben. Es ist eine gute Zeit, sich von Überflüssigem leichter zu trennen.“ Hier schließt sie den Kreis zu den Kräutern aus der heimischen Natur. Zum „Reinigen“ von Haus und Hof sei es jahrhundertelanger Brauch gewesen, getrocknete Kräuter auf einer Kehrschaufel oder in einer Räucherschale auf glühender Kohle zu verräuchern. Zum Beispiel seien Beifuß, Wacholder und Salbei zum Reinigen; Mistel, Lorbeer oder Schafgarbe zum Orakeln geeignet. Auch das Harz von Kiefern, Fichten und Lärchen biete sich an. Zum Baumharz hat sie noch folgenden Rat: "Es muss vollkommen ausgehärtet werden und kann dann gut in kleinen Mengen als Räucherwerk dienen."
Kräuter sind ihre Leidenschaft
- 2012 Ausbildung zur zertifizierten Kräuterführerin in der Umweltstation Waldsassen
- Kräuterführungen und eigene kleine Manufaktur "Wilde Kräuter & Co." in Weiden
- Geräuchert wird zum Dank und zur Reinigung (der Seele oder von Gebäuden)
- Beifuß, Wacholder und Salbei, Baumharze oder Kampfer eignen sich besonders zum "Reinigen" (Ausräuchern)
- Es braucht ein feuerfestes Gefäß (z.B. Speckstein, Porzellan), Vogelsand, Räucherkohle und entsprechendes Räucherwerk
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