Das Corpus Delicti, eine schwarze Kamera, hängt in der Weidener Thermenwelt (WTW) an der Decke im Gangbereich, wo sich Aufbewahrungsspinde befinden. Aber eben auch die Umkleidekabinen. Diese Kamera, die wie ein Rauchmelder anmutet, sorgt für ordentlich Zündstoff: Ein Badegast hat das Landesamt für Datenschutz informiert. Er sagt, mit dieser Art Kamera soll es theoretisch möglich sein, direkt in die Umkleidekabinen filmen, Menschen quasi in intimen Momenten heimlich ausspionieren zu können. Und das alles geschehe auch noch, ohne dass die Besucher auf diesen Umstand aufmerksam gemacht werden. Die Datenschutzbehörde ermittelt nun, wie Ministerialrat Dr. Kai Engelbrecht auf unsere Anfrage hin mitteilt.
Johann Riedl, Vorstand der Stadtwerke, welche die WTW betreiben, zeigt sich auf Nachfrage unserer Zeitung irritiert. Er ist sich sicher: "Da wird nichts rauskommen." Und: "Das ist völlig an den Haaren herbeigezogen." Riedl versteht die Welt nicht mehr. Auf gar keinen Fall würden Kameras in Nacktbereichen hängen und dort schon gleich gar nicht dort filmen. "Das wollen wir nicht." Ja, an besagtem Gang bei den Spinden und im Umkleidebereich würde zwar eine Kamera hängen, bestätigt er. Eben genau die Kamera, um die sich das Aufhebens dreht. Aber: "Weil wir mit hohen Datenschutzstandards arbeiten, hat unser Techniker sie so programmiert, dass der Umkleidebereich zur völligen Unkenntlichkeit gepixelt ist." Dies kann Oberpfalz-Medien nicht nachprüfen. Ein interner Datenschutzbeauftragter würde außerdem, so Riedl, stets kontrollieren, dass die geltenden Standards auf dem Gelände eingehalten werden.
"Kameras erhöhen Sicherheit"
Im Eingangsbereich würden die Badegäste "selbstverständlich" darauf hingewiesen, dass eine Videoüberwachung auf dem Gelände der WTW stattfindet, sagt Riedl. "Und dass es die gibt, ist auch gut so", meint er. Schon oft sei diese Videoüberwachung hilfreich gewesen, beispielsweise um Diebe zu überführen, die Spinde aufgebrochen und darin herumgewühlt hatten. In der Vergangenheit habe es außerdem auch Unfälle und sogar einen Todesfall gegeben. Geklärt werden konnte das alles überwiegend durch die Videoüberwachung. Riedl findet, die Kameras würden die allgemeine Sicherheit in der WTW erhöhen. "Die Polizei hat die Aufnahmen häufiger für ihre Auswertung benötigt - und da wurden außerdem niemals in irgendeiner Form die Kameras beanstandet oder der Inhalt der Aufnahmen." Hätten die Kamera nicht trotzdem woanders platziert werden können? Riedl verneint.
Noch nie sei so etwas wie eine Datenschutzbeschwerde in der WTW vorgekommen, "das ist das erste Mal", so Riedl. Die Stadtwerke hätten bereits eine Stellungnahme an das Landesamt für Datenschutz geschickt. "Darin haben wir alles genau erläutert." Auch das Landesamt bestätigt, dass es mit den Stadtwerken in Kontakt stehe, weitere Maßnahmen habe es noch nicht gegeben. "Nach Eingang der Stellungnahme können weitere Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung erforderlich sein, wozu auch eine – grundsätzlich angekündigte – Vor-Ort-Kontrolle zählen kann", teilt Ministerialrat Engelbrecht mit. "Ist der Sachverhalt ausreichend geklärt, beurteilt der Landesbeauftragte, ob die einschlägigen datenschutzrechtlichen Vorschriften eingehalten sind; ist dies nicht der Fall, trifft er die im Einzelfall veranlassten datenschutzaufsichtlichen Maßnahmen."
Datenschutz hohes Gut
Rouven Colbatz aus Weiden ist Anwalt für Strafrecht und neuerdings Vorsitzender des Anwaltvereins. Er sagt: "Grundsätzlich ist die Intimsphäre geschützt." Der Datenschutz sei ein hohes Gut, das Recht daraus ergebe sich aus dem Grundgesetz. Sollte eben diese Kamera im Umkleidebereich der WTW nun also tatsächlich Besucher beim Umziehen gefilmt haben, wäre sowohl das Datenschutzrecht als auch das Strafrecht berührt. Allerdings richte sich das Strafrecht, so Colbatz, nur gegen Personen und nicht gegen Unternehmen. "In diesem Fall denke ich nicht, dass der Betreiber verantwortlich gemacht werden könnte, sondern eher der, der die Installation angewiesen oder die Kamera angebracht hat." Beim Datenschutz, das unter öffentliches Recht falle, könne allerdings der Betreiber haftbar gemacht werden. Und der Kläger könne Schadensersatz geltend machen.
Theoretisch. Denn bewiesen, ob überhaupt ein Verstoß vorliegt, ist noch nichts. "Und das wird auch sicher eingestellt werden", ist Stadtwerke-Vorsitzender Riedl überzeugt. Besonders schade findet er, dass der "Beschwerdeführer" nicht erst persönlich an die Stadtwerke herangetreten sei und nicht "einfach mal nachgefragt" habe. "Man hätte das alles erklären können." Der Badegast erzählt Oberpfalz-Medien dagegen eine andere Version - nämlich genau das Gegenteil. Mehrmals sei er beim Personal wegen der Kamera vorstellig geworden. Vergeblich.
Datenschutz bei Videoüberwachung
- Aus dem Grundgesetz wird das sogenannte "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" hergeleitet. Das setzt sich zusammen aus Artikel 1: "Die Würde des Menschen ist unantastbar" und aus dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Das bedeutet, dass Personen grundsätzlich selbst darüber bestimmen dürfen, was andere Menschen wissen dürfen. Und das gilt auch für Bilder oder Videoaufnahmen, auf denen wir abgebildet sind.
- Jede Videoüberwachung, die also nicht persönlicher oder familiärer Tätigkeit dient, muss eine Reihe von gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, um zulässig zu sein, erklärt das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein in seinem Katalog zum Thema Videoüberwachung, auf das Rechtsanwalt Rouven Colbatz verweist. Es müssen unter anderem ein "berechtigtes Interesse" für die Aufzeichnung und eine Verhältnismäßigkeit gegeben sein.
- Für jeden überwachten Bereich seien aussagekräftige Hinweisschilder in Augenhöhe zu installieren, aus denen der Umstand der Überwachung deutlich werde. Die
Schilder müssen jeder betroffenen Person „ins Auge fallen“.
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